Sanktionen gegen schlechte Ausbilder?

DGB-Vize Sehrbrock will trotz des Ausbildungsnotstandes in Zukunft mehr auf Qualität achten

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
20 Prozent der 1,6 Millionen deutscher Auszubildenden geben an, »selten oder nie fachlich angeleitet« zu werden; 47 Prozent müssen regelmäßig Überstunden machen, obwohl das rechtswidrig ist. Daher will der DGB die Ausbildungsqualität künftig besser überwachen.
Auf dem Ausbildungsmarkt ist derzeit die »Nachvermittlung« in vollem Gang. Politik und Wirtschaft haben versprochen, jedem der 40 000 Bewerber, die bis zum Stichtag am 1. Oktober keine Stelle gefunden hatten, ein Angebot zu machen - ob nun eine der wenigen noch unvermittelten Lehrstellen, ein Praktikum oder eine »Maßnahme«. Der DGB sorgt sich derweil um die Qualität der Ausbildung: Der Lehrstellennotstand dürfe nicht dazu führen, »dass wir nach dem Motto handeln, Hauptsache die sind weg von der Straße«, sagte DGB-Jugendsekretär Christian Kühbauch gestern in Berlin. Um die Ausbildungsqualität einschätzen zu können, will der Gewerkschaftsbund künftig jährliche Befragungen durchführen. Die erste Umfrage wurde gestern vorgestellt.
Nach der laut DGB »nicht repräsentativen, aber aussagekräftigen« Umfrage unter mehr als 3000 Auszubildenden bestehen erhebliche Mängel bei der Qualität der Lehre. Dabei schneidet insgesamt die betriebliche Ausbildung besser ab als die außerbetriebliche. Wer in Industrie, industrienaher Dienstleistung oder im Handwerk lernt, ist deutlich zufriedener damit als Auszubildende in klassischen Dienstleistungsberufen wie Pflege, Hotel- und Gaststättengewerbe und in der Werbewirtschaft, die in dem Ranking der 25 populärsten Ausbildungsberufe auf dem letzten Platz liegt. Angeführt wird die Beliebtheitsskala von relativ neuen Berufsbildern wie Systemelektronik und Mechatronik - der modernisierten Schlosserausbildung. Aber auch traditionelle Berufe wie Industriemechaniker und kaufmännische Ausbildungen stehen nach wie vor hoch im Kurs.
Die DGB-Vizevorsitzende Ingrid Sehrbrock sieht den Druck auf die rund 1,6 Millionen Auszubildenden in Deutschland wachsen, wiewohl sich das duale System von Betrieb und Berufschule auch weiterhin bewähre. Immerhin fühlen sich nach der Befragung bereits 20 Prozent der Auzubis »selten oder nie« fachlich angeleitet, 47 Prozent geben an, drei Mal oder öfter pro Woche Überstunden zu machen. Ein Viertel dieser Auszubildenden bestreitet, dass Überstunden durch Geld oder Zeitgutschriften abgegolten würden. Laut Berufsbildungsgesetz dürfen Azubis nicht zu Überstunden verpflichtet werden.
Im Osten Deutschlands ist die Ausbildungslandschaft inzwischen zu einem Drittel von außerbetrieblichen Lehrverhältnissen geprägt. Wer außerhalb der betrieblichen Praxis lerne, erhalte mit durchschnittlich 337 Euro nicht nur wesentlich weniger als die betrieblichen Lehrlinge mit 605 Euro, sondern fühle sich auch häufig als Azubi zweiter Klasse, so Sehr-brock. Spielräume bei den Ausbildungsvergütungen sehe sie angesichts dieser Zahlen nicht.
Die stellvertretende DGB-Chefin fordert »Sanktionen« gegen Betriebe, die schlecht ausbilden. Im äußersten Fall könne dies »den Entzug der Ausbildungsberechtigung bedeuten«. Trotz des Azubi-Notstandes dürfe nicht auf Qualität verzichtet werden. Daher müsse auch die Ausbildungseignungsverordnung, die 2003 in der Hoffnung auf mehr Ausbildungsplätze außer Kraft gesetzt worden war, noch vor dem geplanten Termin im Juli 2008 wieder gelten.


Branchen-Ranking
Die Zufriedenheit von Auszubildenden mit ihrer Lehre unterscheidet sich sehr stark nach Berufen und Branchen. Die unpopulärste Ausbildung ist die des Werbekaufmanns, die am schlechtesten bewertete Branche die Gastronomie. Die Beliebtheitsskala nach Branchen von oben nach unten:

IT-Dienstleistungen
Metallberufe Industrie
Kaufleute Handel
Kaufleute Büro
Dienstleistung Industrie
Handwerk Metall
Handwerk Bau
Verwaltung
Gesundheit und Pflege
Weitere Dienstleistungen
Ernährung, Gastronomie

Gefragt wurden insgesamt 3145 Azubis aus 95 Ausbildungsberufen. Die Bewertung richtete sich u.a. nach Kriterien wie fachliche Anleitung, Überstunden und Einbindung der Berufschulphasen in den betrieblichen Ausbildungsalltag. VS

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