Handstreich gegen Selbstbestimmung

Silvia Ottow über die Auswirkungen des neuen Gesetzes zur Sterbehilfe

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 1 Min.

Roger Kusch, Hamburger Sterbehelfer, muss sich nicht vor Gericht wegen Totschlags verantworten. Noch nicht, muss man präzisieren. Als er 2012 zwei Frauen auf deren Wunsch ein tödliches Medikament besorgte und diese nach der Einnahme des Mittels starben, gab es noch andere, liberale Sterbehilferegeln. Seit kurzem hat die Justiz gewerbsmäßige Sterbehelfer im Blick. Es machen sich neuerdings nicht nur umstrittene Personen wie Kusch strafbar, sondern leider auch Ärzte, die Patienten in aussichtsloser Lage und mit schrecklichen Qualen beistehen wollen, oftmals als einzige Ansprechpartner.

Erst im November hatte der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das Selbsttötung und Beihilfe dazu erschwert beziehungsweise unter Strafe stellt. Am 3. Dezember trat es in Kraft - quasi als Folge eines dreisten Versuches religiös-konservativer Kräfte, allen Menschen dieses Landes im Handstreich ihre Lebensmaxime über zu helfen. Während diese Kräfte im Bundestag offenkundig in der Mehrzahl waren, dürfte ein großer Teil der Bevölkerung ganz anderer Ansicht sein. Etwas über 10 000 Menschen haben im vergangenen Jahr ein selbstbestimmtes Lebensende bevorzugt. Nur wenige von ihnen haben Sterbehilfe beansprucht - vermutlich, weil es auch vor dem rigiden Gesetz schon nicht so einfach war. Künftig werden sich noch mehr Menschen mit Todeswunsch davor scheuen, sich irgendjemandem anzuvertrauen.

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