Böse Böller auf Berlins Straßen

Jung, männlich, Knalltrauma: Rettungsstellen rechnen mit über 500 zusätzlichen Patienten

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Berlin wird zu Silvester wieder zahlreiche Touristen anziehen. Ein Highlight für viele bleibt die Open-Air-Party am Brandenburger Tor - auch nach dem Terror in Paris.

Vom »Arschbombenbattle in feinster Garderobe« sang schon Peter Fox. Getreu dem Motto lädt das Stadtbad Schöneberg zum »Arschbomben-Neujahrsspringen«. Das ist aber auch die einzig schöne Schlagzeile kurz vor Silvester. Der Verkauf von Feuerwerk und Böllern hat gerade erst begonnen, doch Explosionen hallen schon seit Tagen in den Straßen: Die Polizei hat in einigen Bezirken Parkscheinautomaten verschlossen, damit sie nicht mit Böllern gesprengt werden können.

Tierschützer erneuern ihre Warnungen, Haustiere dem Silvesterlärm ungeschützt auszusetzen. Und die Zollfahndung warnt vor illegalen Knallkörpern aus Polen, die derzeit in großen Mengen über die Grenze geschmuggelt würden. Sie enthielten oft Metallpulver statt Schwarzpulver und könnten Benutzer schwer verletzen, sagte eine Sprecherin.

Die Tourismusgesellschaft Visit Berlin rechnet wie im Vorjahr mit etwa zwei Millionen Touristen. »Berlin hat sich in den vergangenen Jahren einen positiven Ruf als Silvestermetropole erarbeitet«, sagte Sprecher Christian Tänzler am Montag. Von einer möglichen Terrorgefahr lassen sich demnach nur wenige abschrecken. Die Veranstalter der größten deutschen Open-Air-Party zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule erwarten bis zu eine Million Besucher.

Dort werden die Sicherheitsmaßnahmen in diesem Jahr strenger ausfallen - als Reaktion auf die Anschläge von Paris. Auf der zwei Kilometer langen Feiermeile sollen 600 Ordner für Sicherheit sorgen, Rucksäcke sind verboten und Taschen werden streng auf gefährliche Gegenstände und Böller kontrolliert. Erstmals sei auch der angrenzende Tiergarten für Fußgänger und Radfahrer gesperrt, sagte eine Sprecherin von »Silvester in Berlin«. Polizeipräsident Klaus Kandt kündigte an, dass mehr Beamte im Einsatz sein würden.

Die Berliner Feuerwehr bereitet sich ebenfalls auf einen Großeinsatz an Silvester vor. Mit knapp 1500 Feuerwehrleuten würden in dieser Nacht rund doppelt so viele Haupt- und Ehrenamtliche eingesetzt wie gewöhnlich, sagte Feuerwehrchef Wilfried Gräfling am Dienstag.

Das Wetter wird der Feier mit 150 Bands und acht Minuten Feuerwerk voraussichtlich nicht im Weg stehen: Zwar soll es in Berlin laut Deutschem Wetterdienst bis Ende der Woche immer kälter werden, aber Schnee und Regen bleiben wahrscheinlich aus.

Das Unfallkrankenhaus Berlin bereitet sich auf eine hohe Zahl an Patienten in der Silvesternacht vor, wie eine Sprecherin mitteilte. Jedes Jahr um den Jahreswechsel behandelten die Ärzte dort im Schnitt 70 Menschen, die durch Feuerwerkskörper verletzt wurden. Vivantes erwartet am Neujahrstag 500 zusätzliche Patienten in den neun Rettungsstellen von Spandau bis Neukölln. Auch schon am Silvestertag rechnen die Krankenhäuser mit einem erhöhten Notfallpatientenaufkommen.

Der Sprecher der pflegerischen und ärztlichen Leitungen der Vivantes Rettungsstellen und Chefarzt der Rettungsstelle des Vivantes Wenckebach-Klinikum, Peter-Michael Albers warnt vor dem leichtsinnigen Umgang mit Silvesterfeuerwerk: »Unfälle mit Feuerwerkskörpern können lebenslang die Gesundheit schädigen: Man kann durch pyrotechnische Verletzungen schwerhörig, gehörlos oder sogar blind werden.« Der typischer Silvesterverletzte ist jung, männlich, hat Verbrennungen und ein Knalltrauma, dies habe Vivantes in Auswertungen von Rettungsstellenfällen zum vergangenen Jahreswechsel ermittelt. Verletzte durch Feuerwerk und Knaller sind allerdings voraussichtlich in der Minderheit: Nur etwa jeder 25. Notfall-Patient hat eine so genannte pyrotechnische Verletzung. Mit dpa

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