Die lahmende Bankenwende

Abwicklungsfonds der EU und internationale Kapitalregeln sollen mehr Stabilität bringen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die EU-Bankenunion soll für mehr Stabilität auf den Finanzmärkten sorgen. Die zweite Säule startete zu Jahresbeginn. Ein Grund zum Feiern für die Steuerzahler ist das nicht.

Italiens Ministerpräsident schimpft wieder einmal auf die Blockadepolitik in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel verhindere eine gemeinsame Einlagensicherung für den Euroraum, sagt Matteo Renzi. Er wolle zwar das italienische Bankensystem »nicht gegen das deutsche tauschen«, sagte er der »Financial Times«. Aber die Einlagensicherung sei Teil der Bankenunion. Und die hat am 1. Januar mit einem Notfallfonds für Pleiteinstitute so richtig losgelegt. Die erste Säule war die im November 2014 gestartete gemeinsame Aufsicht für Großbanken durch die Europäische Zentralbank (EZB).

Wie stabil Banken und Finanzmärkte in der EU zu Beginn des neuen Jahres tatsächlich sind, bleibt ungewiss. Gerade Italien weckt Zweifel: Die Regierung in Rom rettete im November vier Regionalbanken mit knapp vier Milliarden Euro vor der Pleite. Im Dezember griff die Regierung in Portugal einer notleidenden Bank unter die Arme. Genau das soll eigentlich zukünftig nicht mehr passieren. Am 1. Januar startete der Einheitliche Europäische Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM). Chefin des neuen Fonds ist Elke König - die frühere Präsidentin der deutschen Finanzaufsicht Bafin soll also in Zukunft Krisenbanken sanieren und im Notfall abwickeln.

Damit ist die sogenannte Haftungskaskade im Euroraum dann vollständig. Sollte eine Bank in Schieflage geraten, werden zunächst deren Eigentümer, Gläubiger sowie Einlagen, die über der gesetzlichen Sicherungsgrenze von 100 000 Euro liegen, zur Abdeckung der Verluste herangezogen. Sollten diese Mittel nicht ausreichen, kann der SRM nach komplizierten Regeln weitere Mittel bereitstellen.

Auf dem Papier ein durchaus überzeugendes Konzept - selbst Kritiker sprechen von einer »Zeitenwende«. Doch in der Brüsseler Praxis stößt es auf den bürokratischen Wildwuchs politischer Kompromisse. So wächst der zuständige Behördenkreis mit dem Start des Abwicklungsmechanismus weiter. Schon jetzt sind die EZB, EU-Finanzaufsichtsbehörden und diverse nationale Stellen für Regelsetzung und Beaufsichtigung zuständig. Ein Kuddelmuddel droht.

Und die Bürger sind noch längst nicht aus dem Schneider. Wenn Elke König an diesem Montag ihr neues Büro betritt, wird der Abwicklungsfonds nämlich kaum Geld im Topf haben. Erst nach und nach soll er von den 120 größten Euro-Banken mit einem Prozent ihrer Einlagen gefüllt werden - das sind ungefähr 55 Milliarden Euro. Noch acht Jahre lang wird im Notfall doch der Staat einspringen müssen.

Immerhin: Unterm Strich verschärfen die Bankenaufseher ihre Maßnahmen gegen ausufernde Risiken. Dies geschieht auch jenseits des Atlantiks: So sollen US-Institute bei einer drohenden Überhitzung der Konjunktur zusätzliche Kapitalpuffer für den Abschwung und dadurch zu erwartende steigende Kreditausfälle aufbauen. Ähnlich antizyklisch wirkende Sicherheitsreserven sind in den internationalen Eigenkapitalregeln »Basel III« vorgesehen. Sie gelten nach und nach in den wichtigsten Bankländern weltweit, wobei sich allerdings die USA noch gegen die Umsetzung sträuben.

Alle Maßnahmen zusammen hätten bei den teuren Bankensanierungen der letzten Jahre wohl ausgereicht, um den Steuerzahler zu schonen. Eine Garantie für künftige Krisen ist das freilich nicht. Denn längst haben Akteure, die das Risiko auf der Jagd nach dem großen Gewinn suchen, andere Spielfelder als die Bankenwelt gefunden. Die dort verschärfte Regulierung setzt nach Ansicht der Bundesbank »Anreize, Geschäfte in andere Bereiche des Finanzsystems zu verlagern«. Auch technologische Entwicklungen in der Internetwelt schaffen Ausweichmöglichkeiten. Allein in Deutschland hat sich der sogenannte Schattenbankensektor laut dem »Finanzstabilitätsbericht 2015« der Bundesbank in den letzten Jahren verdreifacht. Mehr oder weniger unregulierte Geschäfte wie der außerbörsliche Handel von Krediten - ähnliche »Verbriefungen« hatten 2007 die große Finanzkrise ausgelöst - nehmen auch global wieder rasant zu.

Einen weiteren Risikofaktor stellen die zu erwartenden weiteren Leitzinserhöhungen durch die US-amerikanische Notenbank Fed dar. Das Ende der Niedrigzinspolitik könnte vor allem Schwellenländer hart treffen, deren Unternehmen stark in Dollar verschuldet sind - diese Schulden aller Schwellenländer summieren sich auf rund 3,8 Billionen Dollar. Grund genug für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), vor einer Dollar-Schwemme zu warnen. Besonders tief in der Kreide in den USA stehen China und Indonesien, Brasilien und Mexiko, Russland und die Türkei. Und wo nicht die Dollarschulden der Unternehmen Sorgen bereiten, sind es wie in Renzis Italien Staatsdefizite und private Schulden. Dabei waren es zunächst die unbezahlbar hohen Kredite US-amerikanischer Häuslebauer, die 2007 die große Krise auslösten. Von ihr hat sich die Weltwirtschaft bis heute nicht wirklich erholt.

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