Besorgt und schwer bewaffnet

Rechte Milizionäre besetzen Nationalpark im US-Nordwesten - Behörden warten ab

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Woanders wäre es ein Putsch oder zumindest bewaffneter Landraub - doch statt der Nationalgarde werden erst einmal die Schüler nach Hause geschickt.

»Wir sind keine Terroristen - wir sind besorgte Bürger«, sagt Ammon Bundy. Der »Besorgte-Bürger-Status« ist offenbar nicht auf Dresden und Umgebung beschränkt. Nach einer Demonstration gegen die Haftstrafe zweier Rancher wegen Brandstiftung in Burns in Oregon im Nordwesten der USA haben bewaffnete Milizionäre am Sonnabend Nationalparkgebäude besetzt - militante Rancher blockieren mit Pick-up-Trucks die Eingänge zum Malheur-Naturpark, einer der Anführer, Ammon Bundy, kündigte an, »notfalls für Jahre« bleiben zu wollen.

Über die Zahl der Besetzer herrscht bisher Unklarheit: Cliven Bundy, der Vater von Ammon Bundy, sprach von bis zu 150, andere Quellen sprechen von einem oder mehreren Dutzend. Der Name Bundy ist in diesem Zusammenhang keine Überraschung: Cliven Bundy hatte 2014 landesweit Aufmerksamkeit erregt, als es in einer Auseinandersetzung mit dem United States Bureau of Land Management (BLM) um Weiderechte fast zu einer Schießerei gekommen wäre: Bundy und ein paar seiner Anhänger aus dem extrem rechten Spektrum hatten bewaffnet die Herausgabe von Vieh gefordert - die Behörden gaben damals nach. Später tat sich Bundy durch rassistische Kommentare hervor.

Clive Bundys Sohn also rief nun die US-Behörden auf, die Kontrolle über den Nationalpark in Oregon abzugeben - der Sheriff des betroffenen Harney County unterstellt ihnen aber eine ganz andere Agenda: Sie wollten in Wirklichkeit die Regierung des Bezirks und der Vereinigten Staaten stürzen. Dass die militanten Rechten eine US-weite Bewegung gegen die staatlichen Autoritäten lostreten wollen, daraus machen sie keinen Hehl: »An alle Patrioten: Es ist Zeit aufzustehen!!! Wir brauchen eure Hilfe!!! Kommt vorbereitet«, rief Ammon Bundy vor der Demonstration am Sonnabend auf.

Bewaffnete, die die Autorität des Staates komplett ablehnen, besetzen ein Bundesgebäude und fordern öffentlich die zuständige Behörde auf, die Hoheit darüber aufzugeben - in anderen Staaten geht schon weniger als ein Putschversuch durch. In den USA fand er medial zunächst überhaupt nicht statt - was in den sozialen Netzwerken für eine erbitterte Debatte sorgte. Zunächst wurde über die kaum stattfindende überregionale Berichterstattung der großen Netzwerke wie ABC, CBS oder auch CNN diskutiert - außer in lokalen Medien fand die Besatzung kaum Beachtung, während es bei Twitter unter dem Hashtag OregonUnderAttack längst das Hauptthema war. Den Medien wurde dort ein Bias, eine verzerrte Wahrnehmung und Darstellung vorgeworfen. Tenor: Wäre so eine Aktion auch nur ansatzweise von Muslimen oder Schwarzen ausgegangen, man hätte nicht bis eins zählen können, bis der Begriff »Terrorismus« gefallen wäre.

Kritik entzündete sich aus eben jenen Gründen auch an den staatlichen Behörden - die taten bis Montag nämlich so gut wie nichts. Von Truppen der Nationalgarde, wie sie bei den Protesten wegen des Erschießens unbewaffneter Schwarzer in Baltimore und Ferguson sofort aufmarschiert - nichts zu sehen. Dafür wurden am Montag erst einmal die Schulen im Gebiet geschlossen, als handele es sich um einen Schneesturm oder ähnliches. Zumindest übernahm mittlerweile die Bundespolizei FBI den Fall.

Fatalerweise verstärkt dieses Nichtvorgehen eine Tendenz, auf die sich rechtsradikale Milizionäre und ihr oft durch Verschwörungstheorien zusammengehaltener Kreis scheinbar verlassen können: Während nach den Anschlägen vom 11. September 2001 selbst Ökoaktivisten und deren Aktionen, bei denen niemand verletzt oder nichts beschädigt wurden, als »Terrorismus« definiert wurde, gegen den Polizei und Geheimdienste rigide vorgehen, werden solche bewaffneten Erpressungs- oder Landraubversuche von Rechts erstaunlich milde gehandhabt - sie führen, wie 2014 geschehen, sogar zu einem Nachgeben der Behörden. Aber diese Ungleichbehandlung fängt schon bei der Bezeichnung an: »Warum bezeichnen wir die Miliz in Oregon nicht als ›Terroristen‹ - weil sie weiß sind und Christen, deshalb« so der Twitter-Nutzer @StephenDybas.

Sie sind bewaffnet, fahren Pick-up-Trucks, berufen sich auf die Religion, befürworten die Todesstrafe ... und es ist nicht der IS. Ein zugegeben zynischer Vergleich. Zumindest scheinen Teile der USA ebenso fundamentalistisch, wenn es um Waffen geht. So gelingt es bis heute aufgrund der Lobbyarbeit der Waffenorganisation NRA und der republikanischen Mehrheit im Kongress nicht, eine Gesetzeslücke zu schließen, die es Menschen erlaubt, die als Terrorverdächtige auf Flugverbotslisten stehen, Waffen zu kaufen. Ammon Bundy hat schon einmal angekündigt, im Falle eines Eingreifens der Behörden bis zum Äußersten zu kämpfen.

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