»Helfende Hände« - stillgehalten!

Kein Kerngeschäft: Bundeswehr beendet Engagement für Flüchtlinge

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das neue Jahr beginnt für die Bundeswehr - mal wieder - rasant«, sagt der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, in seiner »Neujahresbotschaft«. So wie die Regierung das Mandat für den Syrien-Einsatz im vergangenen Jahr durchs Parlament getrieben hat, so »rasant« geht es nun in den Luftwaffengeschwadern zu. Für Dienstag ist der Abflug der Syrien-»Tornados« in den Kriegseinsatz geplant. 2016 wird der Militäreinsatz in Mali erweitert, noch im Januar wird es dazu die Parlamentsabstimmung geben. Beide Einsätze laufen unter der Überschrift »Fluchtursachen bekämpfen«. Im NATO-Auftrag agiert man weiter im Baltikum und in Polen. Irgendwann im Sommer soll das neue Weißbuch mit den Grundlinien der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik vorliegen. Darin wird von Flüchtlingshilfe, wie sie derzeit von der Truppe im Mittelmeer, vor allem aber in Deutschland selbst geleitet wird, nichts zu lesen sein.

»Helfende Hände« nennt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Inlandsoperation, an der sich Monat für Monat durchschnittlich 7100 Soldatinnen und Soldaten beteiligen. In Spitzenzeiten unterstützten auch schon 9000 Bundeswehrangehörige Länder und Kommunen bei der Unterbringung, Versorgung, Registrierung und beim Transport von Asylbewerbern. Kasernen, Busse, Betten wurden bereitgestellt. Routiniert organisieren Soldaten das tägliche Zusammenleben von Menschen verschiedenster Herkunft. Uniformen bedeuten für viele Ankömmlinge staatliche Autorität und Schutz. Während Beamte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge noch im gewohnten 40-Stunden-Trott arbeiteten, organisierten sich die zum BAMF abgestellten Militärs im Schichtdienst. Viel Lob ist der Lohn.

Nun aber will von der Leyen die Bundeswehr von der Flüchtlingshilfe abziehen. Dem Verbandsmagazin des Bundeswehrverbandes sagte sie, aus der Amtshilfe in akuter Not dürfe keine Regelaufgabe werden. Bis zum Sommer wolle man die Operation »Helfende Hände« beenden. Die Bundeswehr sei schließlich auch »in ihrem Kerngeschäft gefordert wie selten zuvor«.

Das passt so gar nicht zu den Aussagen der Ministerin im Bundeswehr-Onlinebeitrag vom 22. Dezember. Da hieß es noch, die Truppe richte sich darauf ein, »dauerhaft mit Personal und der großen Erfahrung in Führung und Organisation mit anzupacken«. Nachzulesen ist auch: »Die Flüchtlingshilfe wird zu einer wichtigen zusätzlichen Aufgabe für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.«

Woher der plötzliche Meinungswechsel? In der Truppe stöhnt man zwar ob mancher zusätzlicher und ungewohnter Aufgabe, doch auch da gilt: Wir schaffen das! Hat jemand der Ministerin nachdrücklich den Wechsel in der Flüchtlingspolitik klargemacht? Hat ihr jemand verdeutlicht, dass die Bundeswehr über keine Teilstreitkraft Samariterdienste verfügt, dass man keine Erhöhung der Truppenstärke anmahnen kann, wenn man doch genügend Potenzial hat, um Flüchtlinge zu versorgen? Kam etwa eine Rüge von der NATO, die gerne mehr deutsche Kämpfer in der ersten Frontlinie hätte?

Vermutlich, denn nicht nur Verteidigungsexperten der Union mosern nun an der Amtshilfe im Inland herum, auch der Wehrbeauftragte, der SPD-Mann Hans-Peter Bartels, hat jüngst deutlich gemacht: Genug geholfen ...!

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