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Keif! Giggel!

Mary Ocher

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Beim Betrachten des Covers ihres neuen Albums bekommt man eine erste Ahnung von Mary Ocher: wasserstoffblondes Haar, Riesenbrille, eine silbern glänzende Kunststoff-Mitra auf dem Kopf und ein ebenso futuristisch wie albern wirkendes Wams aus Glanzkarton um den Oberkörper drapiert. Sie sieht ein wenig aus, als sei sie soeben einer bizarren No-Budget-Verfilmung von »Flash Gordon« entsprungen oder aus demselben Raumschiff geklettert wie der unvergleichliche Jazzpionier und Dichter Sun Ra. Und tatsächlich sind Dada, Voodoo oder die Liebe zum Trash wohl nicht die abseitigsten Assoziationen. »New Tribalism« nennt Ocher das selbst. Seit einiger Zeit, teilte die Künstlerin dem Onlinemagazin »Siegessäule« mit, sei sie auch »von Stammesriten und archaischer Ästhetik fasziniert, ebenso wie von African Funk und Beat der 60er/70er-Jahre«. Ihre Bühnenshows sind, glaubt man dem, was zu lesen ist, ein entsprechend ulkiger Budenzauber, wenngleich ihre Texte, in denen sie sich gegen staatliche und religiöse Autoritäten jeglicher Art wendet, ernst genommen werden wollen.

Mary Ocher, 1986 in Moskau geboren, in Tel Aviv aufgewachsen, wo sie die Schule abgebrochen und als junge Erwachsene den Wehrdienst verweigert hat, ist Feministin, Anarchistin, menschliches Gesamtkunstwerk. 2007 kam sie mit nicht viel mehr als einem »Koffer voll Antikriegssongs« (»taz«) nach Berlin, wo sie blieb und begann, als Sängerin mit Gitarre in kleinen Bars und Clubs aufzutreten, und zwar offenbar sehr beharrlich. »War Songs« heißt ihr Debütalbum. Später war sie an der Seite der Goldenen Zitronen auf Tournee.

Ihre gegenwärtigen Begleitmusiker, beide Schlagzeuger, tragen bezeichnenderweise den Namen »Your Government«. Was deren sich erkennbar an No Wave, Dance- und Postpunk orientierender Sound mit Bands wie Gossip oder den Yeah Yeah Yeahs bzw. deren Vorbildern aus den frühen 80er Jahren teilt, ist der Wille zu einem von allem Pomp bereinigten, entschlackten, knackigen Minimalismus: Die Schlagzeuge knallen trocken, und insgesamt scheint das Organisationsprinzip »Weniger ist mehr« zu gelten.

Ochers überaus wandlungsfähige Stimme, die dazu erklingt und die irgendwo zwischen Diamanda Galas, Toyah Wilcox, Kate Bush, Nina Hagen und Yoko Ono pendelt, kann sich dabei rasch vom hysterischen Giggeln über bizarre Tierlaute zu einem schrillen oder Glas zum Zersplittern bringenden Keifen steigern. »Als Kind habe ich billige MTV-Musik gehört«, verriet Ocher vor einigen Jahren dem »Tagesspiegel«. »Ich mochte R’n’B-Sängerinnen wie Whitney Houston und Mariah Carey - die Ladys mit den großen Lungen. Heute finde ich Yoko Ono und Meredith Monk interessanter.« Das hört man.

Mary Ocher: »Mary Ocher & Your Government« (Klangbad). Konzert: 10.1., Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin-Mitte, 20 Uhr

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