Spielen gegen Gewalt

Trotz Drohungen der Mafia sind Sporting Locris Fußballerinnen zur Ligapartie angetreten

  • Emanuel Reinke
  • Lesedauer: 3 Min.
Locris Fußballerinnen lassen sich nicht einschüchtern. Das Spiel gegen Lazio Rom war ein Zeichen gegen die Mafia. Es gibt aber auch Zweifel, ob tatsächlich die ’Ndrangheta hinter den Drohungen steckt.

Locri. Ihre mutige Botschaft gegen die Mafia verkündeten Spielerinnen von Sporting Locri schon beim Aufwärmen entschlossen in die Kameras. »Io gioco!« - »Wir spielen!« - rief das Team des italienischen Kleinfeld-Erstligisten. Trotz schwerer Drohungen der ’Ndrangheta, der kalabrischen Mafia, ließ sich der Futsal-Erstligist nicht einschüchtern und trat am Sonntag zum ersten Spiel nach der Weihnachtspause an - und leistete so viel beachteten Widerstand gegen Gewalt, Erpressung und Unterdrückung.

»Locri ist Italien, und wir werden nicht aufgeben«, schrieben die Spielerinnen auf ihrer Facebook-Seite. Der inzwischen zurückgetretene Klubpräsident Ferdinando Armeni hatte Ende Dezember bereits die Auflösung des Vereins angekündigt, weil er und weitere Führungskräfte wiederholt bedroht worden waren. Kurz darauf wurde jedoch beschlossen, den Spielbetrieb vorerst fortzusetzen. Unbekannte hatten Armeni unter anderem Autoreifen aufgeschlitzt. Der Fall Sporting Locri sorgte landesweit für Empörung, auch der nationale Fußballverband FIGC und das nationale Olympische Komitee CONI zeigten sich solidarisch.

Und so ging es in Locri um viel mehr als ein Spiel in einem für gewöhnlich wenig beachteten Nischensport. Die 2:3-Niederlage gegen Lazio Rom wurde live im öffentlichen Fernsehen übertragen, rund 1000 Zuschauer verfolgten das Spiel auf der Tribüne. Sogar Carlo Tavecchio, als Präsident des italienischen Verbandes sonst den großen Glanz des Fußballs gewohnt, war in die kleine, renovierungsbedürftige Sporthalle in Kalabrien gereist. Hier, am Südzipfel Italiens, wo die Arbeitslosenquote hoch und der Einfluss der ’Ndrangheta groß ist, sollte ein Zeichen gesetzt werden.

Denn die Gefahr scheint allgegenwärtig. »Neben der Aufforderung an das Team zu verschwinden lag ein Zettel auf dem Autositz meiner dreieinhalb Jahre alten Tochter. Dort stand: 'Wer sitzt für gewöhnlich auf diesem Platz?'«, berichtete Armeni. Man habe noch immer Angst, man wisse nie, was passiere: »Leider hat uns die Geschichte dieser Region einiges gelehrt.« Bei aller Bestürzung über die Zustände in Locri und Süditalien werden Armenis Aussagen allerdings auch kritisch hinterfragt. So bezweifelt Nicola Gratteri, renommierter Staatsanwalt und erfahrener Ermittler gegen die Mafia, dass diese hinter den Drohungen stecke. »Sie ist dort präsent, wo es um Geld und Macht geht. In diesem Fall gibt es kein Geld, keine Macht«, sagte der 57-Jährige.

Gratteris Wort hat Gewicht. Seit 26 Jahren steht er unter Polizeischutz, ihm sollen Mordanschläge gegolten haben. Die ’Ndrangheta, so Gratteri, schlitze nicht einfach bloß Reifen auf. »Sie schießen, sie zünden Autos an, sie fügen schweres Leid zu«, sagte er. Unbestritten sei es aber »sehr wichtig, dass die Mannschaft weiterspielt. Dieses Team erfüllt die Region mit Stolz.«

Medien berichten, Armeni habe den Verein in eine finanzielle Schieflage manövriert, was dieser dementiert. Letztlich blieb dies am Sonntag aber auch nebensächlich. Zu stark, zu wichtig, war die Botschaft, die die Spielerinnen von Sporting Locri zu verkünden hatten. SID/nd

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