Lahme Ente in lichten Höhen

Obama lobpreist in seiner letzten großen Rede die USA als »mächtigste Nation der Welt«

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
US-Präsident Barack Obama hat Dienstagnacht (Ortszeit) seine letzte Rede zur Lage der Nation gehalten. Sie zeigte neben Selbstvergewisserung durchaus Stärke.

Nach Abschiedsrede, keine 12 Monate vor seinem Abtritt, klang die traditionelle Neujahrsansprache zum State of the Union (Zustand der Union) nicht. Dabei hätte man sie so verstehen können. Denn mehr Zuschauer als die vor den Fernsehern am Dienstagabend wird Barack Obama kaum mehr haben. Zudem unterstrich er die Erfolge seiner Amtszeit, von der Gesundheitsreform über die eherechtliche Gleichstellung von Homosexuellen bis hin zur Atomvereinbarung mit Iran. Dennoch trug der 44. US-Präsident den versammelten Kongressmitgliedern eine Liste mit Wünschen und Initiativen vor, die er in naher Zukunft gerne verwirklicht sehen würde.

»Wir haben Fortschritte erzielt, aber wir müssen weitermachen«, sagte der Staatschef. »Die Zukunft, die wir haben wollen - mit Chancen und Sicherheit für unsere Familien, einem steigenden Lebensstandard und einem nachhaltigen, friedlichen Planeten für unsere Kinder - all das können wir schaffen, aber nur, wenn wir zusammenhalten.«

Als Prioritäten nannte Obama eine Strafrechtsreform, Eindämmung der Waffengewalt, bezahlten Schwangerschaftsurlaub, die Erhöhung des Mindestlohns und die Bekämpfung der Heroin- und Arzneimittelsucht. Damit zählte er die Bereiche auf, in denen Vertreter beider Parteien in den kommenden Monaten zu einer Übereinstimmung kommen könnten. Außerdem könnte Obama manche Reformen auch im Alleingang per Präsidialanordnung einleiten.

Politische Beobachter hatten Obama für die letzten beiden Amtsjahre Führungsschwäche und den Status einer »lame duck« (lahme Ente) vorausgesagt. Denn die gegnerischen Republikaner kontrollieren seit Ende 2014 beide Kongresskammern und können theoretisch Blockadepolitik betreiben. Trotzdem setzte sich Obama immer wieder durch, nicht zuletzt wegen der Spaltungen innerhalb der Rechten. Neben der Iran-Vereinbarung und der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Kuba befindet sich beispielsweise die Zurückweisung des Pipeline-Projekts Keystone XL auf Obamas Positivsaldo. Er stellte sich aber auch mit aller Macht gegen innerparteiliche Kritiker und Gewerkschaften hinter das transpazifische Freihandelsabkommen TPP, das er vom Kongress noch in seiner Amtszeit ratifizieren lassen will.

Obamas Bilanz der US-Wirtschafts- und Außenpolitik fiel rosig aus. »Wer behauptet, dass die amerikanische Wirtschaft im Niedergang ist, macht sich etwas vor«, sagte er und führte aus: »Die Vereinigten Staaten sind die mächtigste Nation der Welt. Punkt.« Neben einer Selbstvergewisserung dienten diese Sätze gleichzeitig zur Kritik an Republikanerkandidaten im Wahlkampf, die ihn als Defätisten darstellen. Insbesondere auf Donald Trump, der die USA als im Niedergang begriffen zeichnet, spielte Obama mehrmals an. Eindringlich warnte der Präsident vor rassistischen und antiislamischen Vorschlägen à la Trump, grundsätzlich keine Muslime mehr ins Land zu lassen. Auch auf den Republikanerkandidaten Ted Cruz nahm Obama Bezug. Er hatte in einer TV-Debatte Flächenbombardements als Antiterrormaßnahme vorgeschlagen.

Schließlich mahnte Obama einen zivileren Umgang zwischen Demokraten und Republikanern im Kongress sowie eine Reform der Wahlkampffinanzierung an. Er habe ein »unglaubliches Vertrauen in die Zukunft des Landes«.

Der bekannte Kolumnist der »New York Times« Nicholas Kristof kritisierte, die Rede sei detailarm gewesen und habe bei den außenpolitischen Passagen, etwa wegen des Selbstlobs auf die Syrienpolitik, Schwächen gezeigt. Als vorbildlich bezeichnete Kristof die Kritik an den Republikanern, die im Wahlkampf rechts außen fischen.

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