Bürokratische Probleme bleiben

Bald werden an Flüchtlinge »Ankunftsnachweise« ausgegeben und mehr Daten gespeichert

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die schwarz-rote Mehrheit im Bundestag wollte ein Gesetz zur schnelleren Registrierung von Asylbewerbern beschließen. Oppositionspolitiker und Flüchtlingsorganisationen übten Kritik.

Die Bundesregierung will nach eigener Aussage den Zuzug von Flüchtlingen künftig besser »ordnen und steuern«. Dazu sollte am Donnerstagabend im Bundestag die Einführung eines sogenannten »Ankunftsnachweises« beschlossen werden. Dieser sieht aus wie ein faltbarer Personalausweis. Beim ersten Kontakt einer Behörde mit dem Flüchtling werden künftig nicht nur Namen, Geburtsdatum und -ort gespeichert, sondern auch die bei der erkennungsdienstlichen Behandlung erhobenen Fingerabdruckdaten, das Herkunftsland und Informationen zu Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen. Hinzu kommen Informationen über Schulbildung, Berufsausbildung und sonstige Qualifikationen.

Zudem will die Große Koalition besser darüber Bescheid wissen, wer überhaupt in die Bundesrepublik einreist. Schwerwiegende »Sicherheitsbedenken« bei einzelnen Personen sollen durch die Datenerhebung schneller überprüft werden können.

Insgesamt versprechen die Regierungsparteien nicht nur eine frühere Registrierung der Flüchtlinge, sondern auch eine Beschleunigung der Asylverfahren. Denn die Daten sollen schnell den zuständigen öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden. Die nun beschlossenen Ausweise werden ab dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes im Februar ausgegeben. Bereits Mitte dieses Jahres sollen alle Flüchtlinge, die seit dem vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind, einen entsprechenden Ausweis haben.

An schnelleren Verfahren zweifelt allerdings unter anderem Pro Asyl. Die Flüchtlingsorganisation verweist darauf, dass es eine Übergangsphase gebe, bis überhaupt ein Asylantrag gestellt werde. Statt fünf bis sechs Monate, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als durchschnittliche Dauer der Asylverfahren angebe, müssten Schutzsuchende teilweise mehr als ein Jahr oder sogar mehrere Jahre auf das Ende ihres Verfahrens warten. Mit dem Auskunftsnachweis werde ein dem Asylverfahren vorgeschaltetes Verfahren weiter ausgebaut.

Große Probleme sieht Pro Asyl vor allem in »den grundsätzlich behäbigen bürokratischen Strukturen«. Daran würden der Ausweis und die Neuerhebung von Daten im Ausländerzentralregister nichts ändern. Beispielhaft für das Versagen der Verwaltung steht das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Berlin. Dort müssen sich die in die Bundeshauptstadt gekommenen Flüchtlinge registrieren lassen. Die Behörde ist aber unterbesetzt, und die Mitarbeiter sind mit der Situation völlig überfordert. Zudem war es in den vergangenen Monaten zu Übergriffen von Wachleuten des LAGeSo auf wartende Flüchtlinge gekommen.

Bei der Abstimmung im Bundestag galt eine Mehrheit durch die Stimmen der schwarz-roten Abgeordneten als sicher. Es wurde erwartet, dass sich LINKE und Grüne enthalten. Die Linksfraktion befürwortet zwar die Vereinfachung von Asylverfahren für Antragsteller und Behörden, kritisiert aber, dass mit der Datensammlung ein »gläserner Flüchtling« geschaffen werde. Auf die Datenbank sollen länderübergreifend viele am Asylverfahren beteiligte Behörden zugreifen können. Fraglich ist, ob die Daten effektiv geschützt werden können und wirklich nur zweckgebunden genutzt werden.

Die Grünen begrüßen grundsätzlich, dass mit dem neuen Gesetz eine schnelle und einmalige Registrierung für die Schutzsuchenden durch die Behörden sichergestellt werde. Sie sind jedoch skeptisch, ob mit der Neuregelung die Dauer der Asylverfahren insgesamt verkürzt wird.

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