Klamauk kontra Klassik

Dominique Horwitz: »Tod in Weimar« - ein Krimi voller Spielfreude

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie lesen da was von Dominique Horwitz, sagt die Frau im Zugabteil gegenüber. Von dem Schauspieler mit den abstehenden Ohren? Hat er seine Memoiren geschrieben? - Es ist ein Krimi, sage ich, sein erstes Buch übrigens. - Ein guter Krimi? - Witzig. - Das ist doch schon mal was.

Allerdings würde der Verlag wohl keine Marketingkampagne für das Buch gestartet haben, wenn nicht ein bekanntes Gesicht dahinterstünde. Werbeplakate zeigen den Mann dekorativ auf dem Kutscherbock. Dort hat er für den MDR-Tatort schon gesessen und ist womöglich bei den Dreharbeiten auf die Idee gekommen, schreibend in die Haut des Roman Kaminski zu schlüpfen, der als Schauspieler allerdings weniger erfolgreich ist. Vom Großvater hat er ein Anwesen vor den Toren Weimars geerbt, das einst ein Gestüt beherbergte, jetzt aber nur noch zwei Pferde. Mit denen kutschiert er Touristen durch die Klassikerstadt und steigt danach gern mal in der Wilhelm-Meister-Schänke ab. Die gehört der resoluten Laura, in deren Gegenwart Kaminski immer »eine gewisse Befangenheit« spürt. »Mein kleiner Philosoph. So nannte sie ihn immer. Und nie konnte Kaminskis sicher sein, ob es ironisch oder anerkennend gemeint war.« Da ist dem Autor eine leise Liebesgeschichte gelungen. Gibt er doch zu, selbst der Liebe wegen nach Weimar gezogen zu sein.

Vielleicht ist die Idee einer Liebesgeschichte gar die Wurzel des Romans, der dann noch viel Erfindungslust brauchte, um zu einem turbulenten Krimi zu werden, den man sich gut auch auf der Bühne vorstellen kann. Horwitz als Schauspieler, Regisseur, Sänger, verwirklicht sich nicht nur, wenn er die Proben einer obskuren Theatergruppe zu Schillers »Räubern« beschreibt, der ganze Text hat etwas Szenisches. Die meisten Gestalten, bis auf Laura, wirken sogar etwas zu grell, um real zu erscheinen. Die Charaktere sind deutlich herausgearbeitet, wie geschaffen dafür, dramatisch zu kollidieren.

Wie das den realen Bewohnern des Weimarer Marie-Seebach-Stiftes gefallen wird? Natürlich hat der Autor sich von der Tatsache inspirieren lassen, dass es in Weimar so ein berühmtes Domizil für pensionierte Künstler gibt, aber er hat es »Villa Gründgens« genannt. »Kein heiterer Weimarer Klassizismus, sondern schwerfällige, düstere Gründerzeit.« Auch solche Gebäude gibt es in Weimar, so wie die lichte Geistigkeit dieser Stadt bekanntlich eine düstere Kehrseite hat. Allein schon der Handlungsort bietet eine Fülle von Bezügen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Auch Dominique Horwitz nutzt das reichlich aus.

Todesfälle in der Villa Gründgens - bei so alten Leuten nichts Ungewöhnliches. Aber dass der Hausmeister, »dieser Baum von einem Mann«, einfach umgekippt ist … Jedenfalls lässt sich Kaminski von Dr. Trixi Muffinger, der attraktiv seltsamen Heimleiterin, erweichen, die Heizung zu reparieren. Dabei bleibt es nicht. Erpressung durch einen Kriminalkommissar - hat die Polizei heute tatsächlich noch solche Methoden? - macht ihn zum Detektiv. Bald sind weitere Tote zu beklagen.

»Alles in der Villa Gründgens hatte einen doppelten Boden. Nichts war so, wie es schien.« So muss es sein in einem Krimi. Dieser hier ist allerdings weniger spannend mysteriös als komödiantisch melodramatisch. Voller Lust am Spiel. In einem Interview spricht der Autor von Leichtigkeit und Freude beim Schreiben, davon, wie er immer wieder schallend lachte. Was die Handlung betrifft, hat er sich dem Eigenleben des Textes hingeben können, hat aber seine Figuren sozusagen vor ihrem großen Auftritt erst zum Maskenbildner geschickt.

Nach seiner Lieblingsgestalt wurde er gefragt. Das sei nicht Kaminski (klar, der ist ihm zu nah), sondern ein 14-jähriges Mädchen, Frettchen genannt. Diese Kleine wird ihm wohl beim Schreiben die meisten Überraschungen bereitet haben. Aber genau so eine habe ich unlängst in einem Fernsehkrimi gesehen. Ja, auch eine Idee: Aus »Tod in Weimar« könnte man einen solchen machen. So wird es wohl auch geschehen - mit Horwitz in der Hauptrolle.

Natürlich werden die Todesfälle - Mord, wie zu erwarten - von Kaminski aufgeklärt und nicht von der Polizei. Die kommt erst gegen Schluss, in einem grandiosen Showdown, zum Einsatz. »Der Polizist, der immer noch seine Maske in der Hand hielt, kratzte sich am Kopf. ›Was ist das hier eigentlich?‹ … ›Junger Mann, diese Mischung aus Sex, Gewalt und Langeweile gibt es nur im Seniorenheim.‹«

Klamauk kontra Klassik, weil der zugezogene Horwitz, der im Deutschen Nationaltheater übrigens den Wallenstein spielt, Weimar nicht lediglich als Freilichtmuseum sehen will. Aber eher traditionell gestimmte Leser kommen auch auf ihre Kosten: Kaminski denkt und redet gern in Klassiker-Zitaten.

Dominique Horwitz: Tod in Weimar. Kriminalroman. Knaus. 285 S.,geb., 19,99 €. Gleichnamiges Hörbuch, gelesen vom Autor. Der HörVerlag, 7 CDs, 19,99 €.

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