Diebesbanden bringen Flüchtlinge in Verruf

Konservative im Landtag nutzen steigende Kriminalitätsraten für durchsichtige Angriffe auf die Landesregierung

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Einbruchswelle in Schleswig-Holstein, dazu eine erschreckend niedrige Aufklärungsquote lösen seit Wochen eine Angst-Debatte in der Öffentlichkeit aus, die nun auch den Kieler Landtag erreicht hat.

Mit dem Thema der Inneren Sicherheit können Wahlen gewonnen wie verloren werden. Damit lassen sich Politiker sehr gut in Konflikte mit Wählern treiben. Sachliches Argumentieren gerät bei solch emotional aufgeladenem Thema schnell in den Hintergrund. Dies zeigte sich deutlich in einer Landtagsdebatte in Kiel.

CDU-Oppositionsführer Daniel Günther bezichtigte Innenminister Stefan Studt (SPD) gar der Lüge. Für diesen Vorwurf handelte er sich zwar eine parlamentarische Rüge vom Landtagspräsidium ein. Doch die Union wich nicht von ihrer Angriffslinie ab: Studt betreibe eine Desinformationskampagne.

Der Minister, der die Vorwürfe natürlich zurückwies, kündigte eine Personalaufstockung bei der Polizei an. Die zuständige Sprecherin der SPD, Sabine Lange, mahnte, es sei nicht Aufgabe des Parlaments, noch mehr Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Auch Piraten-Innenexperte Patrick Breyer mahnte zur Versachlichung der Debatte. Ein »stigmatisierender Generalverdacht« diene nicht der Verbrechensbekämpfung.

Was für Köln die Silvesterereignisse sind, bilden für das nördlichste Bundesland derzeit kontinuierlich steigende Einbruchszahlen. Dabei spielt in der öffentlichen Diskussion auch der Anteil von Tätern mit nichtdeutschem Pass oder gar von Asylbewerbern eine überproportional gewichtige Rolle. Beinahe analog zu Köln geht es auch hier um vermeintlich zurückgehaltene Zahlen und Informationen sowie um die Einordnung und Bewertung statistischer Erkenntnisse. Plötzlich wird alles miteinander vermischt, etwa, dass die strafverfolgenden Staatsanwaltschaften unter großer Arbeitsbelastung leiden und mehr Personal fordern.

Die entstandene Dynamik der Debatte führt zu neuen Ängsten. Lars Harms vom mitregierenden Südschleswigschen Wählerverband (SSW) warnte vor Symbolpolitik aus Angst vor der Kritik der Öffentlichkeit. Symbolpolitik verändere ja nicht die Verhältnisse. Harms widersprach sogar der Kritik daran, dass landesweit kleinere Polizeidienststellen schließen. Es sei ein Trugschluss, meinte er, dass die Polizeistation vor Ort Einbrüche verhindern könne. Harms wörtlich: »Mehr Polizei in der Fläche ist kein Allheilmittel.« Er plädierte stattdessen für mehr Professionalität der Polizei. In Kiel hatte kürzlich der Einsatz eines Hubschraubers mit Wärmebildkamera dafür gesorgt, dass Täter geschnappt werden konnten.

Immerhin konnte auch Harms die Zahlen nicht leugnen. Ein gestiegener Verfolgungsdruck in Hamburg hat offenbar Banden aus dem Stadtstaat nach Schleswig-Holstein getrieben. Unter den Flächenländern weist neben Nordrhein-Westfalen und Saarland Schleswig-Holstein die höchste Wohnungseinbruchsrate auf. Im Vorjahr bearbeitete die Landespolizei im Norden rund 8600 Einbruchsfälle und damit 1100 mehr als noch 2014. In allen sieben Polizeidirektionen des Landes wurden im November und Dezember 2015 gestiegene Einbruchszahlen registriert. Minister Studt, der diese Zahlen am 13. Januar mitgeteilt hatte, sprach dabei von albanischen Banden, die im Norden auf Beutezug seien. Die Aufklärungsquote in Schleswig-Holstein lag 2014 noch bei 12,6 Prozent. Experten gehen davon aus, dass sie für 2015 unter zehn Prozent sinken wird. Das bringt Studt in Zugzwang: »Da müssen wir besser werden!« Der immer wieder geäußerte Verdacht, es könnte sich bei den Kriminellen um Flüchtlinge handeln, findet jedoch keine Bestätigung. 2015 waren 80 Asylbewerber ins Visier der Ermittler geraten - 0,16 Prozent der Asylsuchenden dieses Jahres, wie Burkhard Peters von den Grünen errechnete.

Abseits aller politischen Debatten meldet das Sicherheitsgewerbe einen Geschäftsboom. Bewegungsmelder, Alarmanlagen und Überwachungskameras verkaufen sich besser denn je. »Die Schleswig-Holsteiner geben deutlich mehr Geld dafür aus«, sagte Lutz Kleinfeldt, Landesgruppenvorsitzender des Verbandes der Sicherheitswirtschaft.

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