Ostblick mit leichter Feder und abwehrendem Gift

Klaus George über Deutsche Einheit, Unternehmer, Politiker und 16 Jahre »Wirtschaft & Markt«

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Rückblick macht die Feder leichter», bekennt Klaus George in seinem jüngst erschienenen Buch, in dem er auf «seine» 16 Jahre «Wirtschaft & Markt» zurückschaut. «Ostblick» heißt das Buch, mit dem sich der langjährige DDR-Journalist, der über 20 Jahre bei der «Neuen Berliner Illustrierten» (NBI) im Wirtschafts- und Wissenschaftsressort gearbeitet hatte, mit seiner Zeit nach der Wende und seinen Erfolgen als «Macher» des ältesten und einzigen ostdeutschen, überregional verbreiteten Unternehmermagazins beschäftigt. Da schwingt viel Stolz mit, manchmal ein bisschen zu viel davon.

Ein Stolz, der aber dennoch berechtigt ist. «Wirtschaft & Markt», seit 1990 als Magazin der regionalen Unternehmerverbände in den neuen Ländern und Berlins herausgegeben, galt nicht nur der «Zeit» als das einzige ostdeutsche Wirtschaftsmagazin von Format. Zumindest in der Zunft der Wirtschaftsjournalisten im Osten war die Zeitschrift, die inzwischen vom Verlag Frank Nehring herausgegeben wird, lange Jahre ein unbedingtes Muss. Ebenso bei den neu entstandenen ostdeutschen Unternehmen, die sie als Ratgeber auf dem Weg in die Marktwirtschaft begleitete. Und auch bei den vielfach im Westen verorteten sogenannten «Entscheidern» in der Politik erschrieb sich «Wirtschaft & Markt» viel Akzeptanz.

Mit Reportagen über den unternehmerischen Alltag, immer auf der Suche nach dem berühmten «Aufbau Ost», aber auch insbesondere am Anfang der 90er Jahre den tatsächlich stattgefundenen Abbau zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen nicht aussparend. Mit Porträts über Menschen, die sich von dem einen wie dem anderen nicht beeindrucken ließen. Mit regelmäßigen Betrachtungen von Klaus von Dohnanyi und Heiner Flassbeck, die, man ahnt es, nicht selten zum Meinungsstreit gerieten. Und vor allem mit den in jedem Heft obligaten großen Interviews. Ob der Kanzler der Einheit oder die heutige Bundeskanzlerin, spätere Bundespräsidenten, alle ostdeutsche Ministerpräsidenten und Berlins Regierender Bürgermeister, EU-Kommissare, Wirtschaftsforscher, Konzernchefs und Banker - Chefredakteur George und sein Kollege Steffen Uhlmann, den er schon von NBI-Zeiten kannte, hatten sie alle. Und dabei, so erfährt man aus dem «Ostblick» heute, auch manch abenteuerliche, überraschende, angenehme oder ernüchternde Begegnung.

Das alles ist mit der eingangs erwähnten leichten Feder beschrieben und deshalb lesenswert. Wenngleich manche Autorenschilderung unter der Rubrik des «abwehrenden Giftes», das George ebenfalls verspricht und als Hinterlassenschaft erlittener Verletzungen wertet, abzubuchen ist. Da wird die Suche nach den geeigneten Kolumnisten beschrieben - die vom Chefredakteur im Interesse der Wahrnehmung als unabhängiges, überparteiliches und nicht der Vergangenheit verpflichtetes Blatt «Weißmacher» genannt wurden -, an denen «jegliche Versuche missgünstig gesonnener Kritiker abprallen würden, uns in die rote Ecke zu stellen». Da spielt der innere Spannungsbogen eine Rolle, der zwischen erklärtem Patriotismus Ost, der attestierten Tugend Ostgeruch und dem Anspruch der Blattmacher bestand, dass das Magazin «nicht nach Osten stinken» dürfe.

Auch die Erzählung über Georges vorzeitigen Start in die Marktwirtschaft mit der letzten Westreise als Ostjournalist 1989 ist nicht ohne gespickte Pfeile. Jedenfalls hat der Autor die Agonie seiner früheren NBI, «der ich solange verbunden gewesen war und viele journalistische Erlebnisse verdankte», nur noch von Ferne beobachtet. Nachdem die «in die Grütze ging», plagten ihn jedoch mitnichten Nostalgiegefühle, «denn ich hatte meine Birnen schon geschält».

Klaus George: Ostblick, Meine 16 Jahre mit Wirtschaft & Markt«. Edition klagedo. 183 S., br., 19,90 €

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