Werbung

Bargeld lacht - wie lange noch?

Bei der Frage um Münzen und Scheine geht es auch um die Macht der Zentralbanken

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
»Hygiene« bei kleinen Münzen, »Terrorismus« bei den großen Scheinen – oft vorgetragene Argumente für die Abschaffung des Bargelds überlagern ein tiefersitzendes Problem der Geldpolitik.

In den letzten Monaten taucht sie immer wieder auf, wenn auch unter verschiedenen Prämissen: Die Debatte um die Einschränkung des Bargeldverkehrs – oder gar um eine vollständige Abschaffung des Bargelds. Jetzt brachte das Bundesfinanzministerium eine Obergrenze von 5000 Euro für Barzahlungen ins Gespräch. Als Begründung dafür wurde auch die Finanzierung des internationalen Terrorismus genannt – neben Prepaid-Karten sei Bargeld ein wichtiges Finanzierungsvehikel für Terroristen.

»Internationaler Terrorismus« muss als Begründung für viele geplante oder bereits umgesetzte Maßnahmen herhalten. Denen ist meist eines gemeinsam: Sie sind nicht auf konkrete Strukturen oder Gruppen gerichtet, sondern verändern das Regelwerk für die gesamte Gesellschaft – siehe die immer wieder ins Spiel gebrachte Vorratsdatenspeicherung. Weil Terroristen das Internet oder Telefone nutzen, sollen die Verbindungsdaten aller Bürger gespeichert werden. Weil Terroristen Bargeld benutzen, soll eine Zahlungsobergrenze für alle Bargeldtransaktionen eingeführt werden. Abgesehen davon, ob Terroristen oder auch organisierte Kriminelle von diesen Zahlungsobergrenzen betroffen wären – charakteristisch für jene ist es ja gerade, offiziell vorgegebene Strukturen zu umgehen beziehungsweise zu missachten. Oder sich flugs informelle Finanzierungssysteme zu schaffen, die außerhalb staatlicher Kontrolle liegen.

Dem Bargeld wird argumentativ von verschiedenen Seiten auf die Pelle gerückt. Am plausibelsten erscheint dabei immer noch die Abschaffung der Scheine, die einen hohen Nominalbetrag aufweisen – wie der 500-Euro-Schein. Dieser spielt im Zahlungsverkehr der meisten Bürger in der Euro-Zone überhaupt keine Rolle – die meisten haben sogar noch nie einen gesehen. Er dient vor allem als Wertaufbewahrungsmittel oder, so wird vermutet, als Zahlungsmittel in der Schattenwirtschaft oder bei illegalen Geschäften wie dem Drogenhandel. Auf der anderen Seite des Spektrums, wenn es um die kleinen Münzen geht, argumentieren die Befürworter der Bargeldabschaffung gerne mit den Gesundheitsrisiken – Münzen seien in ihrem Umlauf ideale Krankheitsüberträger. Auch seien die Kosten des Handlings der Münzen für die Wirtschaft mittlerweile ein Hemmnis.

Aber Kriminalitätsbekämpfung durch Abschaffung großer Scheine oder verminderte Gesundheitsrisiken durch die Verbannung kleiner Münzen sind nicht die Ziele, die Harvard-Ökonomen wie Larry Summers , der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman oder führende Notenbanker immer häufiger für die Abschaffung des Bargelds werben lassen. Es geht ihnen um eine vollständig neue Geldpolitik: Bargeld verhindert noch die Einführung negativer Zinsen. Bisher gibt es diese nur vereinzelt für Einlagen von Banken bei der jeweiligen Zentralbank. Dieser Strafzins soll die Kreditinstitute dazu bringen, das Geld nicht dort zu horten, sondern als Kredit in die Wirtschaft zu leiten, um diese so zu stimulieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) oder auch die US-Notenbank Fed als ihr US-amerikanisches Pendant hätten in der Finanzkrise ab 2007 die jeweiligen Leitzinsen, der dann über die Geldinstitute auch an die privaten Bankkunden weitergeben wird, gerne weiter gesenkt, als sie es damals taten, um durch privaten Konsum oder Investitionen die Wirtschaft zu stimulieren – aber die Existenz des Bargeldes setzt bisher eine natürliche Grenze: Null Prozent Zinsen. Ein negativer Zins hätte für Sparer nur eine rationale Konsequenz ergeben: Das Geld von den Konten zu holen und unter das Kopfkissen zu legen, wo es »nur« dem Wertverlust durch Inflation unterliegt.

Auch unter diesen Gesichtspunkten ist die tiefgehende Skepsis zu verstehen, die den aktuell vorgetragenen Argumenten für die Abschaffung des Bargelds entgegensteht. Kampf gegen »Terrorfinanzierung« oder »Hygiene« streife das Problem nur am Rande – in Wirklichkeit ginge es beispielsweise Zentralbanken darum, die Kontrolle über das Geld und mit Hilfe eines Zinses, der auf die gesamte vorhandene Geldmenge wirken kann, auch die Kontrolle über die Geldpolitik wiederzuerlangen. Ohne Existenz von Bargeld könnten Zinsänderungen als eines ihrer Mittel auf jedes Geldguthaben angewendet werden. Und die vollständige Abschaffung des Bargeldes würde prinzipiell jede finanzielle Transaktion nachvollziehbar machen. Jeder Zahlungsvorgang würde so »gläsern«. Damit würde auf staatlicher, aber auch jeder anderen interessierten und technisch fähigen Seite ein noch größeres Kontrollpotenzial gegenüber dem (zahlenden) Bürger entstehen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal