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Fischer, eine gefährdete Art
Auf dem deutschen Branchentreff geht es um Umweltschutz, Energiewende und Grundschleppnetzfischerei
Die Stimmung unter den Fischern in Nord- und Ostsee ist spürbar schlecht. In traditionellen Fanggebieten gehen immer weniger Fische ins Netz, Fangverbote und Naturschutzauflagen erschweren den Betrieben die Arbeit. Der Deutsche Fischereitag in Nürnberg wird ab diesen Dienstag nach Lösungen suchen. Auf dem dreitägigen Branchentreff werden 200 Spitzenvertreter aus Politik, Verwaltung und Fischerei erwartet.
Zugleich wächst der politische Druck. Schutzgebiete seien oft nur Kulisse, klagen Umweltverbände. Tatsächlich zeigt eine aktuelle Analyse des WWF: In der deutschen Nordsee erzielt die Grundschleppnetzfischerei rund 76 Prozent ihrer Fänge innerhalb von Meeresschutzgebieten. »Vor allem in den Nationalparken des Wattenmeers hat die Natur gesetzlichen Vorrang, doch in der Unterwasserwelt ist dies noch nicht umgesetzt«, erklärt Philipp Kanstinger, Fischereiexperte des Verbands. Bislang ist die Fischerei in geschützten Gebieten meist legal.
Bei der Grundschleppnetzfischerei werden große Netze über den Meeresboden gezogen, um bodenlebende Fische wie Schollen zu fangen. Diese Technik produziert aber den meisten Beifang. Darunter versteht man den unerwünschten Fang von Jungfischen und von Nicht-Zielarten. Die Netze beschädigen außerdem sensible Lebensräume wie Seegraswiesen und sorgen für erhöhte CO2-Emissionen, weil sie den Meeresboden aufreißen. Umweltorganisationen fordern deshalb von der Politik fischereifreie Zonen auf insgesamt 75 Prozent der Nationalparkflächen.
Die Fischereiwirtschaft ist sich der umweltpolitischen Problematik durchaus bewusst. Dem Deutschen Fischereiverband, der das Treffen in Nürnberg ausrichtet und auch Binnenfischer sowie rund eine Million Angler vertritt, ist die »künftige Transformation der Fischerei« sowie die zukünftige Rolle von Fisch in einer »klimagerechten Ernährung der Menschheit« ein wichtiges Anliegen, versichert Präsident Dirk Sander, pensionierter Krabbenkutterkapitän aus Ostfriesland.
Doch Nutzungskonflikte nehmen zu. Schutzgebiete und Fischerei konkurrieren um Fläche mit Schifffahrt, dem Ausbau von Offshore-Windanlagen und Kabeltrassen, aber auch mit militärischen Übungen und zukünftig mit CCS, der Speicherung von CO2 im Meeresboden.
In der Ostsee lässt die Bestandssituation von Dorsch und Hering kein auskömmliches Fangen dieser »Brotfische« mehr zu. Das ist keine Folge von Überfischung, sondern der ökologischen Situation geschuldet. Das eigentliche Problem liegt nämlich an Land. Als Beispiel nennt das staatliche Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock Nährstoffe aus Landwirtschaft und Industrie, die über die Flüsse in die Ostsee strömen. Übermäßige Nährstoffe wie Stickstoff führen zu einer übermäßigen Algenblüte, die Sauerstoff entzieht, was Flora und Fauna belastet.
Während Hochseefischerei in Deutschland keine Rolle mehr spielt, sehen sich die verbliebenen Küstenfischer in Nord- und Ostsee zudem durch die enorm gestiegenen Treibstoffkosten in ihrer Existenz gefährdet. Hoffnungen setzt der Fischereiverband auf die Ausbaupläne der Bundesregierung für die Offshore-Windenergie. Geld aus den Versteigerungserlösen für die benötigten Flächen soll gemäß Windenergie-auf-See-Gesetz für umweltschonende Fischerei und für einen strukturellen Umbau der Branche zur Verfügung stehen.
Um die deutsche Fischerei fit für die Zukunft zu machen, müssten alte Fischfangschiffe abgewrackt, die Flotten verkleinert und zugleich energieeffizientere Fischkutter neu entwickelt werden. Das steht im Bericht der »Zukunftskommission Fischerei«, den das Bundeslandwirtschaftsministerium im April vorgelegt hat. Fischer, die nicht mehr auf Fang gehen, könnten stattdessen im Tourismus arbeiten, ihre Schiffe für marine Dienstleistungen, Umweltbildung oder Meeresnaturschutz nutzen, heißt es im Bericht. Um wieder mehr Fangflächen auf dem Meer bereitzustellen, sollen Fischerei, Angeln und Aquakulturen künftig auch in Offshore-Windparks möglich sein. Derzeit ist das zum Ärger der Fischer noch verboten.
Volkswirtschaftlich ein weiterer Nutzungskonflikt ist die Ernährungssicherheit. Nach aktuellen Daten ist die Eigenversorgung mit Fischprodukten in der EU in den vergangenen zehn Jahren von 46 auf 31 Prozent gesunken. In Deutschland liegt die Quote sogar nur bei zehn Prozent. Da der Konsum von Fischprodukten zunimmt, wird die Krise der deutschen Fischerei zu noch mehr Importen führen – oft aus fernen Fanggebieten, die keineswegs nachhaltig bewirtschaftet werden. Zumindest den Anspruch einer nachhaltigen Fischerei verfolgt die EU. Deren Fischbestände zeigen denn auch Anzeichen der Erholung, heißt es in einer Videobotschaft des zuständigen Kommissars Costas Kadis an den Fischereitag. Leibhaftig will Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer erscheinen. Ob der bayerische CSU-Politiker mehr Zugeständnisse für die norddeutschen Fischer bereithält als sein grüner Vorgänger Cem Özdemir aus Baden-Württemberg, bleibt abzuwarten.
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