Afrika träumt erneut von der Industrialisierung

Der Rohstoffpreisverfall zwingt zu einer Neuausrichtung der Wirtschaftsstrukturen

  • Anne Gonschorek, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Chinas sinkender Rohstoffhunger hat Afrikas Aufschwung ausgebremst. Der Kontinent will jetzt seine eigenen Volkswirtschaften industrialisieren, Arbeitsplätze schaffen und seine Mittelklasse stärken.

In den 70er Jahren wurden Tansanier durch die sozialistische Regierung nicht selten wegen »auffälligen Konsums« ins Gefängnis geworfen. Noch vor Kurzem waren sogar viele Menschen dort noch der Meinung, dass Profite »schmutzig« seien. Dabei ist Tansania nicht das einzige Land Afrikas, in dem das Geschäftemachen lange Zeit mit Argwohn betrachtet wurde. Genau das ändert sich aber nun.

Afrika steht vor einem Umbruch. Die Volkswirtschaften des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen. Allerdings haben sich die äußeren Umstände mit der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft - dem größten bilateralen Handelspartner der Region - verändert. Denn mit der sinkenden Nachfrage aus China sind auch die Rohstoffpreise gefallen - und Rohstoffexporte sind bisher eine wichtige Einnahmequelle vieler afrikanischer Staaten.

Laut der Weltbank liegen trotzdem sechs der zwischen 2014 und 2017 weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaften im sub-saharischen Afrika: Äthiopien, die Demokratische Republik Kongo, die Elfenbeinküste, Mosambik, Tansania und Rwanda. Die Gründe für ihr rasches Wachstum sind unterschiedlich. Dennoch haben sie nach Expertenmeinung eines gemeinsam: »Sie sind voller Menschen, die nicht auf ihre Regierungen warten, um eine bessere Zukunft zu schaffen«, schreibt Margaret McMillan, Wirtschaftsprofessorin an der amerikanischen Tufts Universität. »Die Bürger finden eigene Wege, um durch harte Arbeit und frische Ideen zu überleben. Sie öffnen kleine Geschäfte in den Städten und die Regierung steht ihnen nicht länger im Weg.« Die Zunahme der kleinen Geschäfte an vielen Orten ist für sie ein Zeichen, dass die Afrikaner ihr Schicksal in eigene Hände nehmen. »Es gibt keine Kolonialisten mehr, die ihnen verbieten, in die Schule zugehen. Niemand sperrt sie hinter Gitter, weil sie Geschäfte machen. Inzwischen versuchen manche Regierungen sogar, es kleinen Geschäftsleuten einfacher zu machen.«

Derzeit ist die Landwirtschaft noch immer Afrikas größter Wirtschaftssektor. Sie beschäftigt 60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung und bringt 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Kontinents - mehr als 90 Milliarden Euros. Die Wirtschaftsleistung ist zudem unterschiedlich verteilt. Ägypten und Nigeria allein machen ein Drittel der Gesamtproduktion aus; die stärksten zehn Länder bereits 75 Prozent. Industrie und Warenherstellung in Afrika sind dagegen unterentwickelt. Nur wenige Länder wie Südafrika, Ägypten, Marokko und Tunesien haben eine signifikante Industrie, insgesamt beschäftigt der Sektor bisher lediglich 15 Prozent der afrikanischen Arbeitskräfte.

Immerhin ist die Industrie deutlich produktiver. Sie etwas über 30 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, da die Pro-Kopf-Produktivität in diesen Bereichen sechsfach so hoch wie in der Landwirtschaft. Bei den Dienstleistungen ist die Pro-Kopf-Produktivität gegenüber der Landwirtschaft nur doppelt so hoch.

Manche sehen die Zukunft positiv. Der Herstellerverband Nigerias zum Beispiel sieht den Manufakturbereich in den kommenden vier Jahren um jeweils fünf Prozent wachsen. Finanziert werden sollen Wachstumsprojekte von lokalen Investoren, die von neuen Regierungsrichtlinien profitieren können und Unterstützung durch die nigerianische Zentralbank und die Industriebank erhalten, sagt Reginald Odiah, Vorsitzender des Wirtschaftskomitees des Verbandes. Sobald die Regierung die neuen Regulierungen verabschiedet und somit ein besseres Investitionsklima geschaffen habe, würden auch internationale Investoren angezogen werden.

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