Wie kommt der Patient zu seinem Recht?

Wenn Ärzte einen Fehler begehen ...

  • Ruppert Mayr
  • Lesedauer: 3 Min.
Von der vergessenen Kompresse im Bauch bis zur OP am falschen Knie - wenn Ärzten Fehler unterlaufen, hat das in der Regel böse Folgen für den Patienten. Der Weg zum Schadenersatz ist steinig und lang.

Jährlich werden Statistiken über vermeintliche oder tatsächliche Behandlungsfehler von Ärzten veröffentlicht. Für 2014 wurden vom Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) 14 660 Verdachtsfälle aufgelistet, nur in gut einem Viertel hat sich der Verdacht bestätigt. Schätzungen gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Dies ist ein Hinweis, dass Betroffene häufig ratlos mit ihrem gesundheitlichen Schaden zurückbleiben.

Was tun, wenn man nach der OP krank ist?

Grundsätzlich gilt nach dem im Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz, dass der Arzt oder Behandelnde zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet ist, wenn ein Patient konkret nach einem Behandlungsfehler fragt. Diese Vorstellung kritisieren aber nicht wenige Fachleute als reichlich naiv.

Der Hamburger Fachanwalt für Medizinrecht, Thomas Köppke, mahnt zur Zurückhaltung. Den behandelnden Arzt direkt mit dem Vorwurf zu konfrontieren, er habe gepfuscht, verhärte die Fronten unnötig und sei auch taktisch unklug. Köppke rät Patienten, ein Gedächtnisprotokoll über den Ablauf der Behandlung anzufertigen und sich eine vollständige Kopie der Behandlungsakten geben zu lassen. Darauf habe der Patient einen Anspruch.

Der nächste Schritt sollte das Gespräch mit der Krankenkasse oder einem versierten Fachanwalt sein. Dieser kann nicht nur die Erfolgsaussichten einschätzen, sondern auch das weitere Vorgehen - und anfallende Kosten. Bei fundierter Begründung der Ansprüche regulieren viele Haftpflichtversicherer der Ärzte außergerichtlich oder bieten ein Schlichtungsverfahren auf ihre Kosten an.

Wer kann klagen?

Jeder Patient, der vermutet, er sei Opfer eines Behandlungsfehlers geworden, kann klagen. Doch bei schweren Schädigungen sind Gerichtskosten und Kosten für Gutachter und Anwälte ohne Rechtsschutz oft eine unüberwindbare Hürde. Dann wird die Unterstützung durch die Krankenkasse entscheidend.

Der Medizinrechtsexperte der Techniker Krankenkasse (TK), Christian Soltau, erläutert, sollte sich ein Verdacht erhärten, kann die Krankenkasse medizinische Sachverständigengutachten erstellen. Beschreite die TK tatsächlich den Klageweg, »übernimmt sie gleichzeitig für den Versicherten eine Vorreiterrolle im gerichtlichen Verfahren«. Dieser müsse nur dafür Sorge tragen, dass seine eigenen Ansprüche währenddessen nicht verjähren.

Besteht ein Anspruch auf Unterstützung der Kasse?

Nein. Ein Anspruch auf diese Art der Unterstützung besteht nicht. Ausschlaggebend ist, wie die Krankenkasse die Erfolgsaussichten einschätzt. Im vergangenen Jahr hat etwa die TK in 1460 Fällen Gutachtenaufträge erstellt. 68 Fälle wurden vor Gericht verhandelt.

Lohnt sich eine gerichtliche Auseinandersetzung immer?

Oft dauern Gerichtsverfahren zehn Jahre und länger. Bei älteren Patienten sei durchaus zu beobachten, dass die gegnerische Seite versuche, auf Zeit zu spielen, gibt Köppke zu bedenken. Er setzt deshalb auf außergerichtliche Gutachterverfahren und die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, um Verhandlungsdruck aufzubauen. »Durch den Mitstreiter Krankenkasse unterlassen die Haftpflichtversicherer wirtschaftliche Machtspielchen und Verzögerungsversuche«, argumentiert Köppke.

Was muss sich ändern?

Nach Soltaus Worten sind Opfer von Behandlungsfehlern häufig in ihrer finanziellen Existenz bedroht. Dennoch müssten sie teilweise mehrere Jahre warten, bis überhaupt klar sei, ob sie Schadensersatz erhalten. Verfahren »müssen viel schneller abgewickelt und die Betroffenen frühzeitig entschädigt werden«, verlangt er. »Dafür müssten die Landgerichte mehr Spezialkammern für arzthaftungsrechtliche Fragen einrichten.« dpa/nd

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