Ein Zeichen von Kontinuität & Stabilität

Bernd Zeller über den Eventualvorsatz von Joachim Gauck, eine zweite Amtszeit als Bundespräsident dranzuhängen

  • Lesedauer: 3 Min.

In unserem heutigen Bericht widmen wir uns der großen Zustimmung, auf die der Eventualvorsatz des aktuellen Bundespräsidenten Gauck stößt, weiterhin zu amtieren. Gemäß seinem Demokratieverständnis stellt er das Volk nicht einfach vor die vollendete Tatsache, dass er nach Ende seiner ersten Amtszeit eine zweite dranhängt, sondern testet erst aus, was hypothetisch die Medien und nachfolgend die Leute dazu sagen, um daraus zu schlussfolgern, was die davon halten, wenn er diesen Schritt in Betracht zöge, um sich danach der Begeisterung anzuschließen und zum Weitermachen bereit zu erklären, wobei es nicht von Belang ist, ob man von Weitermachen oder Weiterbleiben reden würde.

Zunächst würde ein Ausscheiden aus dem Amt bedeuten, dass es schon wieder einen neuen Bundespräsidenten geben müsste. In den letzten Jahren gab es überdurchschnittlich viele Bundespräsidenten, die meisten sind irgendwann zurückgetreten. Es spricht nichts dagegen, hier wieder eine Phase der Umgewöhnung zu beginnen und zwei Amtszeiten durchzuziehen. Außerdem brauchen wir nicht schon wieder einen neuen Alt-Bundespräsidenten. Seltsamerweise gibt es keine Obergrenze für Alt-Bundespräsidenten. Sie bekommen ihre Bezüge weiter und müssen dafür nur die Würde wahren. Zweifellos würde Gauck das hinkriegen, aber die finanziellen Erwägungen sprechen dafür, dass es von Vorteil wäre, wenn er das von seinem Amt aus tut.

Zu erwähnen ist hier, dass Horst Köhler nicht die Altersbezüge als ehemaliger Bundespräsident einstreicht, sondern nur die anderen. Wer aber sonst keine hat, wie etwa Christian Wulff, muss die nehmen.

Eine zweite Amtszeit Gaucks würde sich finanziell also für alle rechnen. Allerdings hätten wir auf ein Stück Debattenkultur vor der Wiederwahl zu verzichten. Es ist zur ungeschriebenen Tradition geworden, dass gegen einen Bundespräsidenten, der zur Wiederwahl antritt, kein Gegenkandidat aufgestellt wird. Wenn bei uns ein Bundespräsident aus dem Amt gejagt wird, dann von der Presse und nicht von der Bundesversammlung, zumindest soll dieser Anschein gewahrt bleiben. Es ist durchaus denkbar, dass Gauck darauf besteht, diese Tradition ruhen zu lassen und einen Kandidaturpartner zu berufen, damit es nicht nach gelenkter Demokratie aussieht. Möglicherweise kann sich Christian Wulff bereiterklären. Jedenfalls wäre es schön, wenn wieder die massenwirksame »Bild«-Zeitung eine Kampagne startet, dass wir alle Gauck wollen, speziell die Prominenten, die besonders relevant sind.

Das Grundgesetz gewährt dem Bundespräsidenten eine rein repräsentative Funktion, aber in der Medien- und Informationsgesellschaft ist Repräsentanz noch wichtiger als eine auf ein spezielles Fach beschränkte Kompetenz. Man würde ja auch auf die Frage »Wer ist Sigmar Gabriel?« antworten, wenn man ihn kennt: der Vizekanzler. Und nicht: der Wirtschaftsminister. Sozialdemokraten würden vielleicht noch auf die Idee kommen zu sagen: der SPD-Chef. Auch er macht mit allem weiter, weil er die Verantwortung nicht einfach abschütteln kann, außer, wenn er sich ums Kind kümmern muss.

Wie aus vom Bundespräsidenten gut unterrichteten Quellen durchsickerte, besteht Gaucks Motiv, eine zweite Amtszeit anzustreben, darin, in den jetzigen Zeiten für Stabilität und Kontinuität zu stehen. Das ist sehr löblich, denn wenn wir etwas brauchen, dann noch mehr Stabilität und Kontinuität. Die Leute verstehen das Signal, alles bleibt, wie es ist, wenn sogar der Bundespräsident bleibt, wer er ist. Allerdings kann der Schock fünf Jahre später umso größer sein. Durchaus möglich, dass es dann viel nötiger sein würde, den Bundespräsidenten zu behalten, als jetzt, aber dann geht es nicht. Es sei denn, die Lage wird so ernst, dass man auf keinen Fall einen neuen Bundespräsidenten wählen darf, dann wird Gauck natürlich weiterhin zu Verfügung stehen.

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