Balkan blickt nach Wien

Tagung zu Flüchtlingen von Österreich lange vorbereitet

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht erst seit der Flüchtlingskrise führen fast alle Wege auf dem Balkan nach Wien. Doch es sind keineswegs nur enge historische Bande, die die Innen- und Außenminister der Anrainerstaaten der sogenannten Balkanroute am Mittwoch willig den Ruf ihrer österreichischen Amtskollegen zu einer »Strategietagung« zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen folgen ließen.

Wirtschaftlich und politisch pflegt Österreich zum Südosten des Kontinents traditionell sehr enge Bande. Oft liegt das Geheimnis einer wirksamen Diplomatie auch im Detail. Während deutsche oder westeuropäische Botschafter ihre Amtsjahre in Belgrad, Sarajevo oder Zagreb meist auf Englisch oder in der eigenen Muttersprache hinter sich bringen, sind vorzügliche Kenntnisse der Landessprache bei ihren österreichischen Amtskollegen durchaus üblich.

Seit Monaten setzen vor allem die ÖVP-Minister in Österreichs Regierung als Vertreter einer »harten« Linie in der Flüchtlingsfrage auf eine rege Pendeldiplomatie. Während Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mit ihren oberlehrerhaften Vorhaltungen griechische Versäumnisse bei der Abwehr der Flüchtlingsschlauchboote Athen schon von Anfang an kräftig brüskierte, suchte sie gleichzeitig mit ihren Amtskollegen auf dem Westbalkan intensiven Kontakt.

Doch erst seit sich die Balkanroute nach der Abriegelung der ungarischen Grenzen zu Serbien und Kroatien im Oktober nach Westen verschob, hat Wien für die Verringerung der Flüchtlingszahlen mit Slowenien einen kooperativen Mitspieler. Wien und Ljubljana geben bei der strikten Auslese der Flüchtlinge den Takt vor. Und das von Österreich in der Flüchtlingskrise kräftig hofierte Mazedonien mimt den Schleusenwärter: Die Aufwertung durch Wien kommt Mazedoniens starkem Mann Nikola Gruevski angesichts der internationalen Kritik an seiner autoritären Amtsführung mehr als zupass.

Das Verständnis für die Flüchtlinge ist in Staaten wie Serbien oder Kroatien wegen der eigenen Erfahrungen sicher größer als in Österreich. Am meisten wäre den Anrainern angesichts der geringen Ressourcen für deren Versorgung an einem möglichst raschen Durchzug der Transitmigranten gelegen. Doch es ist auch das Fehlen einer klaren EU-Strategie und die Angst, bei einer unkoordinierten Abriegelung der Balkanroute zum unfreiwilligen Hotspot für gestrandete Flüchtlinge zu werden, die den Schulterschluss mit Österreich suchen lässt.

Seit Monaten fordert Serbiens Außenminister Ivica Dacic die EU-Partner immer wieder dazu auf, den Anrainerstaaten zu sagen, was man von ihnen erwarte: den Transit der Flüchtlinge möglichst reibungslos zu gewährleisten - oder zu verhindern. Eine deutliche Antwort bleibt aus. Während die EU sich nicht einmal auf einen Schlüssel zur Verteilung von Kriegsflüchtlingen einigen kann, bastelt Wien entschlossen an seinem kleinen Balkanpakt. Mit der EU und Berlin will es sich beispielsweise der EU-Anwärter Serbien keineswegs verderben. Andererseits lässt die Furcht vor den Folgen einer plötzlichen Abriegelung der Route auch Belgrad die österreichische Regie willig akzeptieren.

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