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Jamaikas jüngster Premier ist zurück

Der 43-jährige Andrew Holness schafft mit seiner konservativen JLP nach vier Jahren Opposition das Comeback

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.
Jamaikas jüngster Premier der Geschichte, Andrew Holness, kehrt an die Staatsspitze zurück. Seine konservative JLP eroberte sich die 2011 verlorene Mehrheit von der sozialdemokratischen PNP zurück.

Es war ein gebrauchter Tag für Portia Simpson Miller. Drei Anläufe brauchte die jamaikanische Ministerpräsidentin am Donnerstag, um ihr Wahllokal zu finden. Bei der Stimmabgabe für ihre sozialdemokratischen People’s National Party (PNP) dürfte zwar nichts schief gegangen sein, doch das Ergebnis der Parlamentswahlen in Jamaika ist eine böse Überraschung für Simpson und die PNP: Die konservative Jamaica Labour Party (JLP), die sich in 22 der vergangenen 26 Jahre mit der Oppositionsrolle begnügen musste, hat die Regierungsmacht zurückerobert. 33 der 63 Sitze im Parlament in Kingston entfallen auf sie, 30 auf die PNP. Die Sitze werden nach dem Westminster-Modell der einstigen britischen Kolonialmacht vergeben: Der Sieger im Wahlkreis erhält den Sitz, der Rest geht leer aus. In absoluten Zahlen lag die JLP nur gut 4000 Stimmen vor der PNP. Die Tendenz der fallenden Wahlbeteiligung hielt an: Nur noch 47 Prozent der 1,8 Millionen wahlberechtigten Jamaikaner fühlten sich zum Gang an die Urne bemüßigt. Das hat damit zu tun, dass beide Parteien - jamaikanisch ausgedrückt - inzwischen tweedledee und tweedledum sind, weder leicht zu unterscheiden, noch ist es der Mühe wert, das zu versuchen.

Bei den vergangenen Wahlen 2011 kam die PNP noch auf 43 der Sitze und löste damit die JLP ab, die seit dem dritten Wahlsieg des legendären Verfechters des Demokratischen Sozialismus Michael Manley 1989 nur noch einmal gewinnen konnte: 2007 mit Bruce Golding als Spitzenkandidaten. Golding musste zurücktreten, nachdem in dem in seinem Wahlkreis gelegenen Viertel Tivoli Gardens bei der größten Militär- und Polizeioperation in der Landesgeschichte im Mai 2010 mindestens 76 Menschen ums Leben kamen, als erfolglos nach dem Drogenboss Christopher »Dudus« Coke gefahndet wurde. Der ergab sich später »freiwillig« und wurde von Golding widerwillig an die USA ausgeliefert. Im Oktober 2010 gab er dann seine unglückliche Handhabung des Falles »Dudus« als zentralen Rücktrittsgrund an.

Die offene oder klandestine Komplizenschaft zwischen Politikern und den »Dons«, quasi Kiezgrößen, die bestimmte Gebiete mit Zuckerbrot und Peitsche rund um den Drogenhandel kontrollieren, ist seit den 70er Jahren verbrieft. Die »Gunmen« der »Dons« sind häufig eng mit den Parteien verbandelt. In den »Garrisons« genannten Parteifestungen spielt Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzung eine große Rolle. Der Übergang vom bewaffneten Mitglied einer Drogenbande zum Partei-Gunman ist nach wie vor fließend, auch wenn Gewaltexzesse wie die 800 Toten im Wahlkampf 1980 der Vergangenheit angehören und die Politiker beteuern, dass solche Verbindungen der Vergangenheit angehören.

Andrew Holness, der 2010 mit gerade mal 39 Jahren die Nachfolge Goldings antrat und damit als bis dato jüngster Premierminister in die jamaikanische Geschichte einging, kehrt nun an die Regierungsspitze zurück. An der Staatsspitze steht formal bis heute die britische Königin, auch wenn es Überlegungen gibt, dieses Relikt abzuschaffen. Großbritannien ließ in seiner Kolonie seit 1944 und damit weit vor der Unabhängigkeit 1962 Parlamentswahlen abhalten. Holness kündigte nach dem obligatorischen Dank an Gott in dem tiefreligiös geprägten Land an, dass er den Jamaikanern für die Gelegenheit danke, sie zu führen. »Es wird kein business as usual geben«, versprach er. »Wir haben eine Botschaft verkündet und die Jamaikaner haben sie akzeptiert, aber das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang«, teilte er flankiert von Parteigrößen jubelnden Anhängern mit.

Versprochen hat Holness das Übliche und im Kern nichts anderes als die Amtsinhaberin Simpson: neue Jobs, Wirtschaftswachstum sowie Bildung und Gesundheit auf Vordermann zu bringen. Seine Vision: Jamaika in »das Silicon Valley der Karibik« zu verwandeln.

Die Ausgangsposition ist alles andere als rosig. Jamaika ist das Land mit der relativ zum Staatshaushalt weltweit höchsten Schuldenlast: Über 60 Prozent des Budgets fließen Jahr für Jahr in die Bedienung und Tilgung von Schulden. Im vergangenen Jahr gab es zwar ein dürftiges Wachstum von 1,3 Prozent, mit eiserner Austeritätspolitik unter Ägide des Internationalen Währungsfonds konnte auch die Inflation erfolgreich gedrückt werden, doch die Jugendarbeitslosigkeit von offiziell 38 Prozent zeigt, dass es Jamaika weiter an Perspektiven mangelt, weswegen viele auswandern. Allein in New York, Toronto und London leben 2,5 Millionen Jamaikanisch-Stämmige - annähernd so viele wie auf der Insel selbst, wo sich rund 2,8 Millionen tummeln. Fünf Millionen insgesamt verteilen sich in den Diaspora-Gemeinden über den Globus.

Portia Simpsons Optimismus bewahrheitete sich unterdessen nicht. Auf die Frage eines Journalisten nach dem Wahlausgang antwortete sie: »Selbstverständlich werden wir gewinnen, seh ich etwa wie eine Verliererin aus?« So sah sie am Ende des gebrauchten Tages in der Tat aus.

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