Geldpolitik regiert die Welt

»Mr. Dollar« Alan Greenspan feiert am Sonntag seinen 90. Geburtstag

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Lobeshymnen auf den früheren US-amerikanischen Notenbankchef Alan Greenspan klingen heute dumpf. Doch nicht immer wird man aus Schaden klug.

Geld regiert die Welt. Mit dieser Leitidee ist Alan Greenspan nahe bei Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Dieser agiert augenscheinlich heute, wie es einst der legendäre Chef der US-amerikanischen Notenbank Fed tat, der am Sonntag seinen 90. Geburtstag feiert. Je nach Standpunkt ist das ein krachendes Lob oder eine schallende Ohrfeige.

Dabei hatte der »größte Notenbanker aller Zeiten«, wie ihn ein US-Senator einmal nannte, seine Karriere eher leise mit einem Musikstudium begonnen. Der Sohn eines deutschstämmigen Börsenmaklers und Kantors an einer Synagoge studierte dann ab 1944 in New York Volkswirtschaft. Ein Doktorabschluss soll an fehlendem Geld gescheitert sein. Es folgte ein bewegtes Berufsleben: Wertpapierhändler, Analyst von Industriekonzernen und Berater von Präsident Richard Nixon im Weißen Haus. Es war schließlich der republikanische Präsident Ronald Reagan, der Greenspan 1987 zum Vorsitzenden der US-Notenbank Fed bestimmte.

Der wortgewaltige »Green-Speaker« blieb zwei Jahrzehnte im Amt - und hinterließ Spuren in der Weltwirtschaft wie nur wenige sonst. Zeitweilig galt der Single als mächtigster Mann der Welt: Durch den Niedergang der realsozialistischen Staaten schient die Macht des US-Dollars uneingeschränkt. China war noch ein unbedeutendes Entwicklungsland. Und Greenspan glaubte wie auch sein Nachfolger Ben Bernanke, der sich als Wissenschaftler ausführlich mit der Weltwirtschaftskrise beschäftigt hatte, an die Macht der Geldpolitik. Es galt als entscheidende Lehre aus den 1930er Jahren, dass Notenbanken radikal antizyklisch agieren müssten. Während die Fed ab 1929 tatenlos zugesehen hatte, wie Börsenkurse, Konjunktur und Beschäftigung in den Keller rauschten, schmiss Greenspan in jedem Kriselchen die Notenpresse an. Um 1990 senkte »Mr. Dollar«, wie ihn Analysten und Politiker nannten, den Leitzins um rekordverdächtige sieben Prozentpunkte und puschte die US-Wirtschaft, bis sie heiß lief. Es war eine Geldpolitik, die wirtschaftsliberale Ökonomen durchaus verärgerte.

Im Januar 2006, kurz bevor die Finanzkrise ausbrach, war dann Feierabend. Greenspan hatte die USA durch zwei Rezessionen, einen zehnjährigen Rekordaufschwung der Wirtschaft und eine beispiellose Börsenrallye geführt. Lange durchaus zur Freude keynesianischer, linker Ökonomen und des demokratischen Präsidenten Bill Clinton, der Greenspan zweimal erneut nominierte hatte.

Doch dessen Politik des billigen Geldes - nur zögerlich erhöhte er in Boomphasen die Leitzinsen wieder - blieb nicht ohne Kollateralschäden. In seiner Ära wuchsen die Finanzmärkte in bis dahin unbekannte Dimensionen: Die Spekulationen mit preiswert geliehenen Milliarden blies weltweit gefährliche Blasen in Banken und auf Immobilienmärkten auf. Die 2009 von US-Präsident Barack Obama eingesetzte Untersuchungskommission klagte Greenspan denn auch als Mitverantwortlichen für die Finanzkrise von 2007 an. Allerdings war der Notenbanker nicht dafür verantwortlich, dass die Steuerpolitik versagte und es versäumte, die Finanzgewinne wieder abzuschöpfen.

Mittlerweile funktioniert »Geld regiert die Welt« in der Realwirtschaft nicht mehr wie zu Greenspans besten Zeiten. Mit der EZB und der People’s Bank of China hat die Fed ernsthafte Konkurrenten bekommen. Doch vor allem fehlen der Wirtschaft die unberührten Märkte in Osteuropa und China, in die sich der Kapitalismus »unter« Greenspan ausdehnen konnte. Heute hat sich die Realwirtschaft von der Geldflut abgeschottet. Das billige Geld gebiert nicht mehr Kredite für handfeste Investitionen. Es vergrößert fast nur noch Finanzblasen. Die jetzige Fed-Chefin Janet Yellen hat das wohl erkannt und zog nach Jahren niedrigster Zinsen kurz vor Weihnachten die Notbremse ein wenig an.

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