Auch nach Fukushima stehen die Japaner zur Atomkraft

Die Schauspielerin Rosalie Thomass über den Film »Grüße aus Fukushima«, die Angst vor dem Dreh in Japan und ihr Engagement für Flüchtlinge

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.
In »Grüße aus Fukushima« spielt Thomass eine Deutsche namens Maria, die nach Fukushima reist. Sie findet keinen Draht zu den älteren Menschen, die aus ihrer Heimat evakuiert wurden – bis sie einer Geisha begegnet.

Was interessierte Sie an dem Projekt?
Durch die Filme von Marcus habe ich mich bereits intensiv mit dem Thema Heimat, Verlust, und der Suche nach der inneren Heimat beschäftigt. Daher trafen Doris Dörries Erzählungen von ihren Reisen nach Fukushima einen Nerv.

Hatten Sie keine Angst, dort zu drehen?
Ich dachte: Wenn Doris dort recherchieren konnte, kann ich dort drehen. Wer sich selbst in ein Abenteuer stürzt, hat ja meist weniger Angst als die, die zu Hause bleiben. Meine Eltern und Freunde haben sich sehr gesorgt. Um sie zu beruhigen, habe ich einen Strahlenexperten kontaktiert.

Zur Person

Rosalie Thomass, Jahrgang 1987, gab ihr Kinodebüt in „Beste Zeit“, dem ersten Teil von Marcus H. Rosenmüllers Trilogie um eine Jugendclique aus einem bayerischen Provinzkaff. Für „Grüße aus Fukushima“ von Doris Dörrie wurde Rosalie Thomass mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.

Thomass spielt in dem Film Marie, eine selbstsüchtige Deutsche, die nach ihrer geplatzten Hochzeit Trost bei einem Charity-Clowns-Projekt in Fukushima sucht. Marie findet keinen Draht zu den älteren Menschen, die aus ihrer Heimat evakuiert wurden. Als eine ältere Geisha trotz der Strahlenbelastung in ihr Haus zurückzukehrt, schließt sich Marie an. 

Für »nd« sprach Katharina Dockhorn mit Thomass.

War es Ihre erste Begegnung mit Japan?
Mein Bild wurde durch eine Schulfreundin aus Japan geprägt. In den ersten Tagen dort war ich trotzdem überwältigt von der Andersartigkeit der Kultur. Und obwohl ich mich vorher informiert hatte, habe ich oft geschluckt. Frauen müssen sich zwischen Beruf und Familie entscheiden – für mich schwer zu glauben.

Was nehmen Sie aus den Begegnungen mit den Menschen mit, die ihre Heimatdörfer rund um Fukushima verlassen mussten?
Sie klagen niemals und ertragen ihre Situation mit Würde – und mit einem Lächeln, das ansteckend wirkt. In Japan ist meine Dankbarkeit für die Sicherheit in Deutschland gewachsen. Vielleicht tritt die Isar mal über die Ufer, aber diese ständige Bedrohung durch Naturkatastrophen ist uns fremd. Ich war zutiefst beunruhigt, als während der sechs Wochen Drehzeit mehrmals die Erde bebte. Die Japaner haben nicht mal mit der Wimper gezuckt.

Verstehen Sie jetzt die Entscheidung von Angela Merkel besser, die Atomkraftwerke abzuschalten?
Ich habe nie verstanden, warum Atomkraftwerke überhaupt gebaut wurden. Ich würde lieber meinen Stromverbrauch einschränken als sie weiter am Netz sehen. Die Japaner sehen das anders. Für uns war der Reaktorunfall der schrecklichste Teil dieser Naturkatastrophe. Für sie ist es der Tsunami, der Menschen verschluckt und Häuser weggeschwemmt hat. Deshalb blieben die Atomkraftwerke am Netz.

Die Japaner scheinen nicht so skeptisch gegenüber der Beherrschbarkeit der Technik?
Das war auch mein Eindruck. Vor allem ist die Kultur des Aufbegehrens gegen den Staat kaum entwickelt. Selbst wenn sie innerlich gegen Atomkraft sein mögen, wird es kaum Demos geben.

Steckt nicht auch der altruistische Gedanke der Hilfe gegenüber Bedürftigen in dem Film, der seit dem Sommer die deutsche Gesellschaft prägte?
Doris hat ihn gut versteckt, der Film wirkt nicht missionarisch. Er zeigt, dass Hilfe nicht so einfach ist und nur der helfen kann, dessen Leben in Ordnung ist. Was ich nicht ganz unterschreiben kann. Jeder sollte sein Herz offenhalten.

Haben Sie sich selbst in der Flüchtlingshilfe engagiert?
Ich habe am Münchner Hauptbahnhof eine Woche lang Sachen verteilt. Zweimal musste ich sogar wieder nach Hause gehen, weil bereits genügend Helfer da waren.

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