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Die gescheiterte Reform

Die Rechtsvereinfachungen sind ein Rohrkrepierer

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

Ursprünglich hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine sinnvolle Hartz-IV-Reform geplant. Doch sie scheiterte am Widerstand Bayerns.

Junge Hartz-IV-Bezieher unter 25 werden besonders streng durch die Jobcenter kontrolliert und auch gemaßregelt. Dazu zählt, dass man sie bei Verfehlungen viel härter bestraft, als ältere Arbeitslose. So können die Sachbearbeiter bereits beim ersten größeren Verstoß gegen die Auflagen des Amtes, etwa bei Ablehnung eines Jobangebots, den Regelsatz der Betroffenen für drei Monate komplett streichen. Wer sich erneut etwas zu Schulden kommen lässt, dem wird auch das Geld für Heizung und Wohnung entzogen. Experten halten diese Sanktionen für kontraproduktiv. Die ehemalige Jobcentermitarbeiterin Inge Hannemann, die mittlerweile für die LINKE in der Hamburger Bürgerschaft sitzt, meint, die Sanktionen seien »eine Belastung der Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Jobcenter«.

Auch die Bundesagentur für Arbeit will die Sondersanktionen abgeschafft sehen, bedeuten sie doch einen unnötigen Verwaltungsaufwand für die Angestellten. Diese Kritik fand Eingang in den Koalitionsvertrag von Union und SPD, wo es heißt, man wolle die Sanktionen für unter 25-Jährige überprüfen.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles wollte die strengeren Regeln ganz kippen. Das Reformpapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, das als Grundlage für den jetzigen Gesetzentwurf gilt, enthielt auch genau diesen Punkt. Doch im Referentenentwurf aus dem Ministerium, der im Oktober 2015 der »Süddeutschen Zeitung« zugespielt wurde, war von einer solchen Sanktionslockerung keine Rede mehr. CSU-Chef Horst Seehofer hatte interveniert und sich geweigert, dieses Vorhaben mitzutragen. Nahles knickte ein. In einem Gespräch mit der »Stuttgarter Zeitung« bestätigte die Ressortleiterin später, das Vorhaben sei »am Veto der CSU gescheitert«. Herausgekommen ist eine Reform, die nun wirklich von allen Seiten kritisiert wird. Erwerbslosenverbände, Gewerkschaften, LINKE und Grüne sehen vor allem negative Auswirkungen für die betroffenen Hartz-IV-Bezieher (siehe Interview).

Selbst jene, die durch den vermeintlichen Bürokratieabbau entlastet werden sollen, lehnen den Entwurf ab. Dieser sei »in keiner Weise geeignet, Personalressourcen freizusetzen, die dann in die aktive Arbeitsvermittlung umgeschichtet werden könnten«, heißt es in einem Rundschreiben der Jobcenter-Personalräte, aus dem die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« im Februar zitierte. Bei dem Gesetz handele es sich »um keine Reform, noch nicht einmal ein Reförmchen und in der Summe auch nicht um Rechtsvereinfachungen«, so die vernichtende Kritik der Personalräte.

Trotzdem soll das Gesetz bereits zum 1. August in Kraft treten.

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