An den kleinen Schrauben gedreht
Paul Lotman erreicht mit den BR Volleys ein Europapokalfinale und träumt noch von Rio de Janeiro
Premieren sind immer besonders, das mussten die Verantwortlichen der BR Volleys am Samstagabend kaum noch betonen. Die Berliner Volleyballer waren nach ihrem Pokalsieg vor wenigen Wochen nun erstmals auch ins Finale eines europäischen Wettbewerbs vorgedrungen. Im zweitklassigen CEV-Pokal war ihnen dies durch ein 3:0 gegen Belgiens Serienmeister Knack Roeselare gelungen, und so tanzten sie ausgelassen in der Max-Schmeling-Halle herum. Paul Lotman war mittendrin in der Traube. Der US-Amerikaner war vor einem Jahr mit Resovia Rzeszów sogar Finalist in der Champions League, und doch sagte er: «Für mich ist das die beste Saison meiner Karriere. Es ist all das eingetreten, was ich wollte.»
Lotman wechselte im vergangenen Sommer aus Polen nach Berlin, um endlich wieder Volleyball zu spielen, anstatt immer nur auf der Ersatzbank zu schmoren. Berlins ebenfalls neuer Trainer Roberto Serniotti setzte sofort auf ihn, auch wenn der Amerikaner anfangs Schwierigkeiten hatte: «Ich musste mir erst mal über meine Rolle im Team klar werden und nach mehreren Jahren als Bankspieler mein Selbstvertrauen wieder steigern. Das dauert seine Zeit», erinnert sich Lotman an den Anfang der aktuellen Saison im Herbst. «Man lernt mit der Erfahrung, in wichtigen Spielen nicht in Panik zu verfallen. Das geht aber nur, wenn man auch auf dem Feld steht.»
Am Samstag leitete Lotman sowohl im ersten als auch im dritten Satz mit schnellen Aufschlagpunkten den klaren Sieg seiner Berlin Volleys ein, und war ansonsten in der Annahme eine Bank. Er ist zum festen Bestandteil des Berliner Erfolgsrezepts geworden. «Wir spielen gerade den besten Volleyball unserer Saison. Genauso muss das auch sein, denn jetzt kommt es darauf an. Wir haben den Pokal gewonnen, stehen in einem europäischen Finale, und in der Meisterschaft gehen die Playoffs los. Wir sind noch lange nicht satt und wollen noch mehr erreichen», sagte Lotman.
Lob für die Steigerung kam auch von Serniotti. Wie schon im Viertelfinale gegen den finnischen Vertreter VaLePa Sastamala hätte sich seine Mannschaft im Rückspiel gesteigert. «Das zeigt, dass die Jungs lernfähig sind und verstehen, an welchen kleinen Schrauben man drehen muss, um auf diesem Niveau weit zu kommen», sagte der Trainer. Lotman sei ein wichtiger Teil dieser Entwicklung.
Dass der Amerikaner just vor dieser Saison den Verein wechselte, war kein Zufall, schließlich steht an deren Ende das Olympiaturnier an, und Lotman drohte das Aus im Nationalteam, solange er in Polen nur auf der Bank saß. «In Berlin habe ich mich in vielen Dingen verbessert. Das kommt einerseits davon, dass ich viel mehr Spielzeit bekomme, und andererseits geben mir die Trainer und meine Mitspieler viele Ratschläge, von denen ich profitiert habe: Ich fühle mich im Aufschlag sicherer, meine Blocktechnik ist viel besser geworden und im Angriff habe ich jetzt mehr Variationen drauf. Das alles hat auch mein Selbstvertrauen wieder nach oben gebracht», meinte Lotman.
Im September war er für den Weltcup in Japan nominiert worden, wo die Amerikaner ihr Olympiaticket lösten. Nationaltrainer John Speraw gab dem heute 30-jährigen Kalifornier damals jedoch nur vier Kurzeinsätze gegen unterklassige Gegner. Wirklich beweisen konnte er sich nie. «Jetzt feiere ich Erfolge mit Berlin, und mein Nationaltrainer kann das immer wieder sehen. Ich weiß zwar noch nicht, ob ich mit nach Rio fahren darf, aber besser hätte ich nicht zeigen können, dass ich mich in so vielen Dingen verbessert habe», freute sich Lotman.
Ende des Monats gibt es zwei weitere Gelegenheiten in den Finalspielen gegen Ugra Surgut aus Sibirien. Gegen russische Mannschaften ist es zwar immer schwer, aber wir spielen zuerst zu Hause. Und vor unserem Publikum haben wir gegen jede Mannschaft einen Vorteil«, sagte Lotman. Der Mann ist endgültig in Berlin angekommen.
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