Journalisten sollen Integration unterstützen

Das Radio-Bremen-Gesetz steht wegen eines mutmaßlichen Eingriffs in die Rundfunkfreiheit in der Kritik

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie weit geht das Gebot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, objektiv und unparteiisch zu berichten? Über diese Frage wird gerade in Bremen diskutiert.

Mit dem neuen Radio-Bremen-Gesetz hat die rot-grüne Regierung des kleinsten Bundeslandes, der Freien Hansestadt Bremen, einen Tabubruch begangen. Denn unter den Änderungen und Neuerungen befindet sich in Paragraph 3 »Allgemeine Grundsätze« in Absatz 3 als neue Vorschrift für den Sender: »Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen ist nachhaltig zu unterstützen.«

Es finden sich weiter oben im Gesetz in Paragraph 2 »Auftrag« noch immer die Grundsätze, die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung zu berücksichtigen, ebenso die Meinungsvielfalt. Es sollen keine Meinungsrichtungen übergangen werden, auch nicht die von Minderheiten.

Letzteres sind Handlungsanweisungen den Journalismus betreffend, eigentlich Grundlagen echter journalistischer Arbeit. Die Integration bestimmter gesellschaftlicher Gruppen zu unterstützen, ist keine fachlich journalistische Aufgabe, sondern betrifft das gesamte Agieren des Senders und wird nicht nur dort als Beschränkung der Rundfunkfreiheit gesehen. Zum Beispiel auch die Bremer CDU spricht von einem Eingriff in die Rundfunkfreiheit.

Radio Bremen gehört zu den neun föderalen Sendeanstalten, die sich in der ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) zusammengeschlossen haben. Es gibt mit dem Deutschlandradio und dem ZDF (das Zweite Deutsche Fernsehen) noch zwei weitere öffentlich-rechtliche Sendeanstalten.

Deren politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit ist offiziell festgeschrieben als Voraussetzung für objektive und kritische Berichterstattung, auf die vonseiten der Politik kein Einfluss vorgesehen ist. Allerdings sind die jeweiligen Landesregierungen, die auch Objekt der journalistischen Arbeit der Rundfunkanstalten sind, über die finanzielle Ausstattung und die Modifizierung des jeweiligen Landes-Rundfunk-Gesetzes in der Lage, die Arbeit der Sender zu beeinflussen.

Radio Bremen wurde 1945 als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet und ist die kleinste Landesrundfunkanstalt Deutschlands. Ab Weihachten 1945 sendete Radio Bremen unter Aufsicht der amerikanischen Besatzung täglich; und zwar von einem Mast im Bremer Westen, den bis dahin der »Großdeutsche Rundfunk« Nazideutschlands nutzte. Radio Bremen gehört zu den ersten Mitgliedern der 1950 gegründeten ARD.

Die einzelnen Bundesländer sind für die Rundfunkgesetze ihrer Sendeanstalten zuständig. Modifizierungen sind üblich als Anpassung an gesellschaftliche, rechtliche und technische Entwicklungen. Es ist auch üblich, dass sich Radio Bremen ziemlich eng an den Änderungen der größten ARD-Anstalt, des WDR (Westdeutscher Rundfunk) orientiert.

Beim Neuzuschnitt des Rundfunkrates, der als unabhängiges Aufsichtsgremium vorgesehen ist, hat die rot-grüne Regierung an der Weser mit ihrem »Zwergenfunk« die Pläne des Riesen WDR gründlich gelesen. Allerdings wurden Radio Bremen noch Eigenheiten hinzugefügt, wie etwa Parteien nur zuzulassen, die Fraktionsstärke im Bremer Landtag haben. Wodurch die Bremer AfD ausgeschlossen ist - bisher. Die weltanschauliche Palette dagegen wird mit den Aleviten um eine Religionsgemeinschaft erweitert. Auch die religionskritische Humanistische Union bekommt nun einen Sitz.

Die Idee, einem öffentlich-rechtlichen Sender neben dem Journalismus noch ganz andere Aufgaben vorzuschreiben, stammt nicht aus Nordrhein-Westfalen, sondern wurde vom hansestädtischen Senat ausgeheckt.

Es ist nicht verwunderlich, wie das neue Gesetz polarisiert. In der Presse gab es einen Aufschrei. Die Bremer Tageszeitung »Weser-Kurier« sieht guten Journalismus in Gefahr und betont den Leitsatz, Journalismus habe sich nicht mit der Sache gemein zu machen, auch nicht mit der guten. Auf rechtslastigen Seiten im Internet wird der dritte Absatz des dritten Paragraphen süffisant zitiert. Scheint er doch die Vorwürfe zu untermauern, die Presse sei tendenziös.

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