Freigesprochen

Personalie: Vojislav Seselj wurde vom Straf-
gericht in Den Haag freigesprochen

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.

Vojislav Seselj ließ schon vor dem Urteilsspruch der Richter in Den Haag seinen Triumphgefühlen freien Lauf. Er habe das UN-Kriegsverbrechertribunal »erniedrigt, demontiert, getötet«, verkündete der Serbe in einem Interview mit dem Wochenmagazin »Newsweek Srbija«. »Meine Siegesfeier über das Tribunal wird niemand trüben können.«

Bereits 2003 hatte sich der heute 61-jährige Parteichef der Serbischen Radikalen Partei (SRS) dem Tribunal gestellt - zehn Tage nach Erhebung der Anklage. Die warf Seselj Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kriege in Kroatien (1991 bis 1995) und Bosnien (1992 bis 1995) vor.

In keinem der Anklagepunkte sei eine Verantwortung Seseljs für Verbrechen gegen Kroaten und Muslime erwiesen, urteilte das Gericht nun ungewöhnlich deutlich. »Mit diesem Freispruch ist Vojislav Seselj ein freier Mann«, erklärte der Vorsitzende Richter Jean-Claude Antonetti. Die Anklage hatte 28 Jahre Haft gefordert.

Seinen offiziell 2007 begonnenen Prozess wusste der wortgewaltige Jurist schon bald als Bühne für nationalistische und Ausfälle gegen das Gericht zu nutzen. Per Hungerstreik erzwang er das Recht, sich selbst zu verteidigen. Auch sonst wussten sich seine überforderten Richter gegen den renitenten Quertreiber kaum einen Rat. Am besten habe er sich im Gerichtssaal gefühlt, gestand dieser in einem Interview mit der Zeitschrift »NIN«: »Ich würde mir wünschen, dass mein Prozess noch läuft. Dort fand ich mich wirklich in meiner Rolle wieder.«

Doch nach Ende seines Prozesses 2012 wurde der an Leberkrebs erkrankte Seselj 2014 noch vor der Urteilsverkündigung aus Gesundheitsgründen vorläufig freigelassen. Obwohl der Freigänger vorab ankündigte, sich an keinerlei Auflagen halten zu wollen, wurde er im Herbst 2014 nach Serbien ausgeflogen.

Seine 2012 nach der 2008 erfolgten Abspaltung der heutigen Regierungspartei SNS ins außerparlamentarische Abseits gestolperte SRS hofft Seselj im April wieder ins Parlament zu führen.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.