Union will Innenpolitik militarisieren
Pläne des Verteidigungsministeriums stoßen auf Kritik
Berlin. Nach den Terroranschlägen in Paris und Brüssel planen Unionspolitiker, vermehrt die Bundeswehr im Inland einzusetzen. Die »Süddeutsche Zeitung« berichtete mit Bezug auf einen Entwurf für ein neues Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr, dass eine Gesetzesänderung für Militäreinsätze im Innern bei Terrorgefahr oder Bedrohung der Sicherheit erwogen werde. Federführend ist dabei das Verteidigungsministerium von Ursula von der Leyen (CDU). In dem Papier heißt es, dass ein »wirkungsvoller Beitrag der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage« ermöglicht werden solle. Im Juni soll der Entwurf ins Kabinett eingebracht werden.
Die Pläne widersprechen dem Grundgesetz. Denn es gilt der Verfassungsgrundsatz, dass die Bundeswehr für die äußere und die Polizei für die innere Sicherheit zuständig ist. Allerdings gibt es Ausnahmen, nach denen das Militär auch im Inland aktiv werden kann. Beispiele hierfür sind Hilfen bei Naturkatastrophen. Zudem hatte das Bundesverfassungsgericht im August 2012 geurteilt, dass der Einsatz militärischer Mittel im Inland in »Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes« zulässig sei. Dies dürfe nur als Ultima Ratio, nicht aber gegen demonstrierende Menschen oder zum Abschuss entführter Passagiermaschinen geschehen.
Die Konservativen dürften es schwer haben, ihre Einsatzpläne durchzusetzen. Für eine erforderliche Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. SPD und Grüne, auf deren Stimmen die Union angewiesen wäre, reagierten ablehnend. »Es wäre falsch und gefährlich, die Grenzen für Bundeswehreinsätze im Inland aufzuweichen oder abzuschaffen«, sagte die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger. Von der SPD hieß es, sie wolle vielmehr die Polizei stärken.
Die LINKE warnte vor einer Aushebelung der Grundrechte durch bewaffnete Einsätze von Soldaten im Innern. Ihre Parlamentarierin Christine Buchholz forderte eine »Entmilitarisierung der Außenpolitik«, um gegen Terrorgefahr vorzugehen. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten verurteilte die Pläne und rief die Gewerkschaften auf, dagegen Widerstand zu leisten. Bereits jetzt würden Zivilmilitärische Zusammenarbeit Inneres und Reservistenkonzept die Option auf Einsätze der Armee im Innern absicher, so die Vereinigung. Der Terrorismus müsse mit rechtsstaatlichen, auch polizeilichen Mitteln bekämpft werden. Aber die militärischen »Kriege gegen den Terror« hätten weltweit »die Gefahren nicht gebannt, sondern erhöht«. avr Kommentar Seite 4
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