Renzi und eine klebrige Affäre

Referendum über Grenzen der Ölförderung im Land spaltet Italien in zwei Lager

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Italiener stimmen am Sonntag darüber ab, ob die Ölförderung zu Lande und im Meer begrenzt werden soll. Die Regierung ist dagegen. Klebrig scheint in dieser Sache aber nicht nur das Öl zu sein.

Die Diskussion um die Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung, Federica Guidi, und ihren in der Ölbranche verankerten Lebensgefährten Gianluca Gemelli reißt nicht ab: Im Haushaltsplan 2015 hatte Guidi dafür gesorgt, dass multinationale Konzerne weiter in Italien nach Erdöl bohren dürfen.

Gerade darüber aber soll am Sonntag ein Referendum befinden, das neun südliche Regionen sowie Umweltschutzverbände angeregt hatten. Die Frage, über die das Wahlvolk entscheiden wird, ist: Dürfen Konzerne bis zum Erschöpfen der Ressourcen die Vorkommen ausbeuten? Oder sind mit Ablauf der gegenwärtig geltenden Lizenzen die Arbeiten einzustellen? Im Kern geht es im Referendum darum, ob innerhalb einer 22-Kilometer-Zone vor der Küste und an Land, in naher Zukunft nach Öl gebohrt werden darf.

In seinem mit großem Enthusiasmus verkündeten Stabilitätsplan für Italien hatte Regierungschef Matteo Renzi für eine uneingeschränkte Ausbeutung aller nationalen Ressourcen plädiert. Hier greift die Affäre Guidi: Die Ministerin hatte einen von ihrem Lebensgefährten vorgeschlagenen Anhang in das Wirtschaftsgesetz eingebracht, der die Ölförderung befürwortet. Der Haken: Gemelli unterhält zwei Firmen, die im Ölgeschäft tätig sind, und darüber hinaus beste Kontakte zum französischen Ölkonzern Total.

Dass der Regierung Renzi nun Lobbyismus für die Erdölwirtschaft vorgeworfen wird, liegt auf der Hand. Zumal sich der Regierungschef über die Bedenken der Küstenregionen hinweggesetzt hat und seine Pläne zum Dekret erklärte. Hierbei wurde der Regierungschef jedoch vom Verfassungsgericht ausgebremst.

Das Referendum spaltet Italien in zwei Lager, deren Intentionen schon an den Beteiligten deutlich ablesbar sind. Die Befürworter des Referendums - für einen Stopp der Förderung - setzen sich aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, Fischerei- und Tourismusverbänden und Wissenschaftlern zusammen. Auch Kreise der katholischen Kirche haben sich für den Schutz der Umwelt ausgesprochen. Insgesamt gehören dem Komitee für den Stopp der Förderungen »No Triv« (keine Bohrungen) 160 Organisationen an.

Zu den Gegnern gehören außer Renzis Anhängern die Befürworter der Kernenergie, die Vertreter der Ölkonzerne und anderer Energieunternehmen sowie ihre ausländischen Geschäftspartner. Renzis Hauptargumente sind der Energiebedarf des Landes sowie der Erhalt von etwa 25 000 Arbeitsplätzen im Süden.

Laut der Umweltorganisation Legambiente decken die Vorkommen aus der im Referendum diskutierten Zone lediglich ein Prozent des nationalen Ölbedarfs und drei Prozent des Bedarfs an Erdgas. Die Studie ist auf Datenbasis des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung erarbeitet worden. Sie verweist dabei auf Umweltkatastrophen der jüngsten Vergangenheit wie im Golf von Mexiko. Für die Adria, so der frühere Umweltminister der Regierung Romano Prodi, Pecoraro Scanio, käme ein solches Unglück einem Todesstoß für Flora und Fauna des Meeres gleich.

Die Gegner des Referendums und Befürworter der weiteren Ausbeute fossiler Brennstoffe erklären hingegen, es liegen Fördermöglichkeiten von zehn und 13 Prozent des Bedarfs an Öl bzw. Gas vor. Ein Verzicht darauf, so Gianfranco Borghini, Präsident des Komitees »Optimisten und Vernünftige«, würde nicht durch alternative Energien wie Solar- oder Windstrom, sondern durch verstärkte Importe an Öl und Gas ersetzt.

Renzi hat seine weitere Tätigkeit an den Ausgang des Referendums geknüpft. Er hofft auf ein Scheitern und die Fortführung seiner Wirtschaftspolitik. Die Abstimmung ist nur bindend, wenn sich mindestens 50 Prozent der Stimmberechtigten beteiligen.

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