Flucht in die Stars

Beim Streamingdienst Netflix lässt das Wachstum nach

Netflix laufen viele Aktionäre davon. Die Zukunft des Videostreamings scheint nämlich nicht so glänzend zu sein, wie Spekulanten bisher gedacht haben.

Der Video-Streamingdienst Netflix konnte gerade erst die Verpflichtung eines weiteren Hollywood-Stars vermelden. Naomi Watts soll in einer Thrillerserie namens »Gypsy« eine Psychotherapeutin spielen, die gefährliche Beziehungen mit Leuten aus ihrem Patientenkreis eingeht. Regie führen wird bei den ersten Episoden die Britin Sam Taylor-Johnson, die vergangenes Jahr mit »Fifty Shades of Grey« einen Blockbuster auch in der alten Welt des Kinos inszenierte.

Solche Zugpferde sind bei den Onlinediensten für Filme und Serien zunehmend gefragt. Diese vermarkten längst nicht mehr nur fremde Inhalte via Internet, sondern produzieren auch selbst »Content«, um die Einmaligkeit des eigenen Angebots zu unterstreichen oder um zusätzliche Einnahmen durch den Rechteverkauf zu generieren. Das scheint nötig, denn die Wachstumsraten von Netflix normalisieren sich, was so manchem Anleger die Augen öffnet: So sackte der Aktienkurs am Montag binnen weniger Minuten um sieben Prozent ab, als der Konzern mit Sitz im kalifornischen Los Gatos im Silicon Valley bei der Vorstellung aktueller Geschäftszahlen auch seinen Ausblick auf das zweite Quartal veröffentlichte: Der Umsatz werde stagnieren, die Nutzerzahl von zuletzt 81,5 Millionen nur noch um 2,5 Millionen steigen.

Dabei macht Netflix im Unterschied zu vielen anderen Internetkonzernen durchaus Gewinne: Diese kletterten im ersten Quartal bei 1,96 Milliarden Dollar Umsatz um 17 Prozent auf 28 Millionen Dollar. Das ist angesichts des Aktienkurses freilich wenig - bei absehbar schwächerem Wachstum wird sich die Spekulation nie erfüllen. Dabei geht der Großteil der Einnahmen bereits für die globale Expansion drauf: Im Januar startete der Dienst in 130 weiteren Ländern und ist mittlerweile auf allen wichtigen Märkten außer Chinas vertreten. Das scheint sich nur bedingt auszuzahlen.

US-Marktführer Netflix bekommt zunehmend den immer härteren Konkurrenzkampf unter Video-Streamingdiensten zu spüren. Wettbewerber Amazon hat für die USA gerade ein Monatsabo angekündigt, das preisgünstiger ist als der populärste Netflix-Tarif. Der Internetriese hatte bisher das Video-Angebot nur als Teil eines Jahresabos vermarktet, das sein Hauptgeschäftsfeld Onlinegemischtwarenhandel voranbringen sollte.

Netflix versucht derweil mehr mit Stars zu punkten. Vor wenigen Tagen versuchte der Konzern bei einer Presseveranstaltung in Paris, durch Ashton Kutcher und Kevin Spacey sein Angebot in Europa bekannter zu machen. In Deutschland etwa liegt man weit hinter Amazon zurück, aber auch Platzhirsche wie Maxdome und Sky Online machen Netflix das Leben schwer. Überhaupt ist das Streamen nicht gerade des Bundesbürgers liebste Medienkonsumart - zuletzt zahlten 16 Prozent für einen solchen Dienst, während fast 60 Prozent Kabel- oder Satellitenfernsehen nutzten.

Neflix-Gründer Reed Hastings pries auch in Paris an, dass Online-Fernsehen einfach besser sei, weil es Nutzern mehr Freiheiten gebe. Doch er nimmt auch sehr viel Geld in die Hand, um den Anspruch zu unterstreichen: In diesem Jahr will der Konzern fünf Milliarden Dollar für Inhalte ausgeben, davon mehrere 100 Millionen für Eigenproduktionen und seine Flucht in die Stars.

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