ver.di-Chef Bsirske: SPD darf TTIP nicht zustimmen

Warum die Gewerkschaft am Samstag in Hannover zu Protestenj gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta in Hannover aufrufen

  • Bettina Markmeyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist Teil eines Bündnisses von Umwelt- und Verbraucherschützern, Sozialverbänden und kirchlichen Hilfswerken, die am 23. April in Hannover gegen die Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (Ceta) und den USA (TTIP) demonstrieren wollen. Anlass ist der Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama zur Hannover Messe. Ver.di-Chef Frank Bsirske kritisiert vor allem die geplanten Schiedsgerichte.

Was wollen Sie mit der Demonstration erreichen?
Es geht um ein Signal. Das Weiße Haus hat erklärt, Obamas Besuch auch für eine Beschleunigung der TTIP-Verhandlungen nutzen zu wollen. Wir fordern faire Verträge - statt auf einen Freihandel zu setzen, der ausländische Großkonzerne gegenüber inländischen Unternehmen privilegiert. Dieses Freihandelsabkommen schafft Institutionen, die quer liegen zu Rechtsstaat und Demokratie.

Zur Person

Frank Bsirske ist seit 2001 Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di sowie Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Sie kritisieren, das Abkommen schränke die Handlungsfreiheit demokratisch gewählter Regierungen ein, weil ausländische Konzerne den Schutz ihrer Investitionen einklagen können. Die EU-Kommission will aber nun statt der umstrittenen Schiedsgerichte internationale Handelsgerichtshöfe im TTIP-Abkommen verankern. EU-Handelskommissarin Malmström sagt, die Bürger könnten auf faire und objektive Urteile vertrauen.
Aus unserer Sicht ist das nur Kosmetik. Tatsächlich bleiben die Einfallstore für Konzerne weit geöffnet, um gegen die Staaten ihre Profit-Interessen einzuklagen.

Warum?
Die geplanten Gerichte sind nicht unabhängig. Der Deutsche Richterbund etwa hat zu dem EU-Beschluss gesagt, dass weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter, noch deren Stellung und Bezahlung den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten genügen. Der zweite, zentrale Kritikpunkt sind die Investitionsschutz-Standards. Auch daran ändert der EU-Vorschlag nichts. Die Konzerne haben weiterhin den garantierten Anspruch »auf gerechte und billige Behandlung« und es wird ihnen im TTIP-Abkommen der Schutz »legitimer Erwartungen« gewährt - also ihrer Gewinnerwartungen. Auch an den unklaren Vorgaben für die Staaten ändert sich nichts. Staatliche Maßnahmen - etwa Verbraucherschutz - dürfen dem gegenwärtigen Verhandlungsstand zufolge nicht »offenkundig ekzessiv« erscheinen. Das eröffnet einen weiten Spielraum für Auseinandersetzungen.

Denen die Staaten versuchen werden auszuweichen?
Das ist zu befürchten, denn es gibt bereits solche Fälle: Die neuseeländische Regierung hat ein geplantes Gesetz gegen Zigarettenwerbung ausgesetzt, um abzuwarten, wie die Klage des Tabakkonzerns Philipp Morris gegen entsprechende Auflagen in Australien vor einem Washingtoner Schiedsgericht ausging. Offenkundig hat die Gefahr, zu Milliarden-Strafen verurteilt zu werden, den neuseeländischen Staat davon abgehalten, von politischen Mehrheiten gewollte Vorhaben umzusetzen.

Die TTIP-Gegner fürchten nicht nur um Umwelt- und Verbraucherschutz, sondern auch um die Rechte von Arbeitnehmern. Was fordern die Gewerkschaften?
Der DGB-Bundesvorstand hat die Bundesregierung und Brüssel einstimmig aufgefordert, dem Ceta-Abkommen - das die Blaupause für TTIP ist - in der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen und Nachverhandlungen zu fordern. Ein wichtiger Punkt sind die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Weder Kanada noch die USA haben unterschrieben, dass Arbeitnehmer das Recht haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Wir meinen aber, dass es nicht nur um die Interessen der Unternehmen gehen darf. Es muss genauso um die Interessen der in diesen Unternehmen arbeitenden Menschen gehen.

Was erwarten Sie diesbezüglich von der SPD? Die Spitze in der Koalition in Berlin will das Abkommen, die SPD-Basis ist eher kritisch.
Der Zeitpunkt für das Coming Out der SPD ist spätestens der September. Dann werden die Wirtschafts- und Handelsminister der EU-Staaten über das Ceta-Abkommen abstimmen. Wenn der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel im Wort bleiben will, muss er vor dem September die angekündigte Abstimmung in seiner Partei herbeiführen. epd/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal