Wie stehen die Parteien zu TTIP?

Ein Überblick zu den Positionen von CDU, CSU, SPD, Linkspartei, Bündnis 90/Die Grünen, Piraten, FDP, AfD und DKP

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 5 Min.
Während die Gegner der Freihandelsabkommen TTIP und CETA für das Wochenende zu Protesten in Hannover aufrufen, beantworten wir die Frage: Wie stehen die wichtigsten politischen Parteien in Deutschland zu TTIP?

Durch die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA soll künftig eine Freihandelszone die EU-Länder und die Vereinigten Staaten vereinen. Zölle sollen fallen, Handelshemmnisse beseitigt werden. Vor allem Großkonzerne erhoffen sich davon erhebliche Kosteneinsparungen. Bei den Abkommen geht es aber auch um gesellschaftspolitische Standards.

Kritiker sehen genau diese Standards stark gefährdet. Europa würde sich verpflichten, alle Regulierungen künftig TTIP-konform zu gestalten. Handelsrelevante Gesetze könnten demnach nur noch mit Zustimmung der USA zustande kommen. Künftige Verbesserungen von Umwelt-, Arbeitnehmer- und Verbraucherstandards in Europa würden erschwert, wenn nicht sogar verhindert.

Umfragen zeigen, dass es innerhalb der Bevölkerung in Deutschland starke Vorbehalte gegen die geplanten Abkommen gibt. Grund genug, einen Blick auf die Parteiprogrammtik zu werfen. Wie stehen die wichtigsten politischen Parteien in Deutschland zu TTIP?

CDU:

In der Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt es fast ausschließlich TTIP-Befürworter. Aus Sicht der Christdemokraten ist das Abkommen eine »Brücke in die Zukunft«, ja sogar »unverzichtbar für Deutschland«, weil dadurch im Exportsektor angeblich neue Arbeitsplätze entstehen können. Für einen durchschnittlichen Haushalt fantasiert sie sich sogar einen Einkommenszuwachs von 545 Euro im Jahr zusammen und sieht steigende Chancen »auf einen langfristig guten Job«. TTIP-Kritikern widersprechen die CDU-Granden in allen Punkten. Weder sind für sie die Verhandlungen intransparent noch kann sie Gefahren für die Umwelt oder den Verbraucherschutz entdecken. Auch die viel kritisierten Schiedsgerichte gehören für die CDU fundamental zum Abkommen dazu. Eine Einflussnahme auf demokratische Gesetzgebung sieht sie dabei nicht.

CSU:

Wenig verwunderlich, dass auch die Schwesterpartei der CDU aus Bayern sich vehement für TTIP und CETA ausspricht. Sie nennt aber immerhin einige einschränkende Bedingungen. Für die CSU müssen die Verhandlungen transparenter als bisher geführt werden. Auch will sie die als hoch deklarierten europäischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards erhalten sehen. Die nationale Gesetzgebung soll nicht durch internationale Schiedsgerichte ausgehebelt werden können. Grundsätzlich spricht sich die CSU aber für das TTIP und CETA aus, weil sie darin – ebenso wie die CDU – »Chancen für Wachstum und Arbeitsplätze« sieht.

SPD:

Wie so oft, schwelt auch zum Thema TTIP/CETA ein Streit innerhalb der SPD. Wie so oft, ist es aber auch hier die des Linksseins gänzlich unverdächtige Parteispitze, der die Deutungshoheit der sozialdemokratischen Haltung zum Freihandelsabkommen obliegt. Sie sieht in dem Abkommen eine große Chance, den transatlantischen und damit den globalen Welthandel fairer und nachhaltiger zu gestalten und einer breiten Bevölkerung zu mehr Wohlstand zu verhelfen. Für die Verhandlungen fordert sie aber mehr Transparenz und den Erhalt sowie den Ausbau bestehender Umwelt-, Arbeits-, und Verbraucherschutzbestimmungen.

Die Linke:

Die Linkspartei ist seit dem Beginn der Debatte um TTIP und CETA gegen das aus ihrer Sicht von Konzerninteressen bestimmte Freihandelsabkommen. Als grundlegende Gefahren sieht sie die Entmachtung der Parlamente und eine Aushöhlung der Demokratie. Neben ihrer Kritik unterstützt die Partei den Widerstand inhaltlich und durch Protest auf der Straße. Die Linke wünsch sich statt TTIP und/oder CETA eine enge Zusammenarbeit mit den USA, um die legalen Tricks zur Steuervermeidung abzubauen, die Finanzmärkte endlich wirksam zu regulieren und um hohe Qualitätsstandards für Konsumgüter und Dienstleistungen festzulegen.

Bündnis 90/Die Grünen:

Auch die Grünen hatten lange, für sie nicht wirklich untypisch, ein gespaltenes Verhältnis zu TTIP und sich erst zögerlich dem Protestlager angeschlossen. Im Vergleich zu ihrem ursprünglichen Standpunkt im Sommer 2013, der neben den Risiken auch die Chancen eines solchen Abkommens sah, forderte die Partei Anfang 2016 ein Aussetzen der Verhandlungen. Mittlerweile unterstützen die Grünen aktiv den Stopp der Verhandlungen.

Piratenpartei:

Die Piratenpartei nahm bereits Kurs gegen TTIP und CETA, als die ersten Informationen zu dem transatlantischen Freihandelsabkommen publik wurden. Sie sieht darin einen »Sargnagel der Demokratie«. Die Piratenpartei fordert das Aussetzen der Verhandlungen, die lückenlose und barrierefreie Veröffentlichung von TTIP sowie eine offene Debatte über die Normen des globalen Handels.

FDP:

Besonders skurril ist, auch das ist nicht überraschend, die Haltung der Freidemokraten zu TTIP und CETA. Sie bejubelt das Handelsabkommen am unkritischsten. Für die 2013 aus dem Bundestag hinausgewählten Liberalen sind die Wachstumspotenziale einer gemeinsamen Freihandelszone ein wichtiges Argument dafür. Wie die CDU, so weissagt auch sie, dass die Realeinkommen in Deutschland in Folge eines transatlantischen Partnerschaftsabkommens langfristig um 4,7 Prozent steigen könnten. Als Quelle dafür gibt die FDP jedoch nur das konzernnahe Ifo-Institut an. Eine Absenkung nichttarifärer Handelsbarrieren könnte laut FDP zudem bis zu 110.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Die Kritik der Intransparenz der Verhandlungen oder an dem drohenden Ausverkauf der Demokratie bezeichnet die Partei als »Halbwissen und Angstmache«.

AfD:

Als Fachpartei für die verwässerte Darstellung knallhart rechter Positionen argumentiert die neoliberal-rechtspopulistische »Alternative für Deutschland« weniger eindeutig als die FDP. Ihr Mix aus neoliberalem Programm und rechts-esoterischer Institutionenfeindlichkeit liest sich dann so: »Auch wenn der Freihandel als Mittel des Wachstums normalerweise bejaht wird, darf bezweifelt werden, ob die Verhandlungskompetenz bei der EU im ausreichenden Maß vorhanden ist.« Darum lehnt die AfD die Abkommen in ihrer derzeit debattierten Form ab. Wenn nationale Repräsentanten direkt am Verhandlungstisch säßen, sähe die AfD aber Möglichkeiten eines Erfolgs im Sinne ihrer arbeitnehmerfeindlichen und vor allem nationalistischen Ideale. Die Frage der Schiedsgerichtsbarkeit soll »sauber, transparent und für alle Seiten zufriedenstellend geklärt werden.«

DKP:

Die Deutsche Kommunistische Partei bewertet TTIP und CETA als »Unterwerfung ganzer Staaten unter die Kapitalinteressen großer Konzerne«. Die DKP beteiligt sich seit dem Beginn der Debatte aktiv am Widerstand gegen das Freihandelsabkommen und unterstützt die selbstorganisierte europäische Bürgerinitiative.

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