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Thyssen-Krupp: Abbau von Stahlarbeitsplätzen in NRW
Noch im September soll Thyssen-Krupps Hochofen 9 heruntergefahren werden. 250 Arbeitsplätze sind gefährdet
Der Hochofen 9 von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE) in Duisburg-Hamborn soll bereits Ende September dieses Jahres heruntergefahren werden. Das ist aus Betriebsratskreisen zu vernehmen. 250 Arbeitsplätze würden »unwiderruflich wegfallen«. Die Belegschaft würde aufs Werk im Duisburger Norden
aufgeteilt werden. »Es ist ein klares Signal des Managements, wohin die Reise geht.« TKSE wollte die entsprechende Anfrage von »nd« sowie »die laufenden Verhandlungen und ihre Inhalte« nicht kommentieren.
Erst vor zwei Jahren hat der kriselnde Riese TKSE den sogenannten glockenlosen Gichtverschluss in Hochofen 9 routinemäßig ausgetauscht, damit dieser auch weiterhin den Anforderungen an Umweltschutz und Arbeitssicherheit genügt. Nun soll in knapp zwei Monaten Schluss sein.
Was das für den einst so mächtigen Stahlstandort Duisburg mit Werken im Stadtnorden und -süden bedeutet, könne man sich ausmalen, heißt es aus Betriebsratskreisen. »Das ist ein Tod auf Raten. Es wird immer düsterer und was sonst noch hier abläuft, ist auch schon lange nicht mehr schön.« Das Betriebsratsmitglied berichtet von Einschüchterungsversuchen und gar »Bedrohungen«. Es werde persönlich für sein Engagement von Arbeitgeberseite »angegangen«. Konkreter wird es nicht.
Gesamtkonzern wird zum Sanierungsfall
Fakt sei, dass es auch um den Gesamtkonzern nicht gut stehe. Selbst von einer Insolvenz sei die Rede. Das könne aber nicht verifiziert werden, solange die Arbeitgeberseite nicht dazu Stellung beziehe. »Die Zahlen, die nach draußen gegeben werden, zeigen nicht das Ausmaß des aktuellen Zustands von TKSE.« Ähnlich äußert sich auch die IG Metall. Es sei bereits fünf nach zwölf. TKSE sei zum Sanierungsfall geworden.
Noch in der vergangenen Woche nahm TKSE eine neue Anlage für etwa 800 Millionen Euro im Duisburger Norden in Betrieb. Sie soll einem Medienbericht zufolge in Kürze gewalzte Bramme liefern. Damit dürfte auch die Entscheidung gegen den Fortbestand der traditionsreichen Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) im Süden Duisburgs, die mehrheitlich TKSE gehören, gefallen sein. Kann TKSE selbst Bramme herstellen, wird das Werk in Hüttenheim, das seit Längerem zum Verkauf steht, überflüssig.
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Im Walsumer Werkshafen von TKSE, einige Kilometer rheinabwärts vom Werk in Hamborn, entsteht derzeit auf einer Fläche von gut 40 Fußballfeldern eine viel beschworene Direktreduktionsanlage. Ab 2027 soll sie die Hochofen-Technologie ablösen und die 2,5 Millionen Tonnen Roheisen pro Jahr klimafreundlich produzieren. Dafür muss die Belegschaft wohl einen hohen Preis zahlen.
Neben Nullrunden bei Tariferhöhungen soll es auch Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich und Verzicht auf Sonderzahlungen wie vermögenswirksame Leistungen oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld geben. Das Management will so pro Jahr 200 Millionen Euro einsparen, um die Restrukturierung mitzufinanzieren. Bekannt wurden die Pläne durch eine von der IG Metall benannte »Giftliste«. »Wir sollen mit unseren Löhnen, Sonderzahlungen und Zukunftsperspektiven bezahlen«, sagt das Mitglied des Betriebsrates »nd«.
Deshalb demonstrierten in verschiedenen Ruhrgebietsstädten am Dienstag mehrere hundert Beschäftigte vor den Werken. Kritisiert wird ferner, dass der tschechische Investor Daniel Kretinsky, der bereits Anteile von TKSE besitzt, nicht präsent sei. Presseanfragen blieben von Kretinskys Managern unbeantwortet.
Betriebsrat und Gewerkschaft wollen Druck erhöhen
Deutschlands größter Stahlkonzern will bis zu 11 000 der 27 000 Stellen im Unternehmen abbauen, und das nicht nur in Duisburg. 5000 Beschäftigte sollen gehen, 6000 in andere Unternehmen ausgegliedert werden. Über die konkrete Ausgestaltung verhandelt derzeit das Management mit der IG Metall. Ende dieser Woche könnte es mehr Klarheit geben. Bisher wurden die Details weitgehend hinter verschlossenen Türen verhandelt. Nun wollen der Betriebsrat sowie die IG Metall offenbar den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen.
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