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Nichts gesehen, nichts gerochen

Deutsche-Bank-Manager im Münchner Betrugsprozess freigesprochen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Landgericht München hat Jürgen Fitschen und frühere Spitzenmanager der Deutschen Bank im Fall »Kirch« freigesprochen. Geht die Staatsanwältin in die Berufung?

Am Rande des Weltwirtschaftsforums in New York gibt Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer einem US-Fernsehsender ein Interview zur finanziellen Lage der angeschlagenen Kirch-Mediengruppe. Leo Kirch gilt als der deutsche Rupert Murdoch: Sein Konzern ist an Springer beteiligt, besitzt die Rechte an abertausenden Hollywood-Spielfilmen und baut Fernsehsender wie Sat.1 und Premiere (heute Sky) auf. Auf die Frage des Journalisten, ob die Deutsche Bank dem Mediengiganten helfen werde, antwortet Breuer: »Das halte ich für relativ fraglich.« Die wohl unbedachte Äußerung wird auf den Finanzmärkten so interpretiert, dass die wichtigste Gläubigerbank Kirch fallen lasse und dessen Schicksal damit besiegelt sei.

Breuer gab dieses Interview im Februar 2002. Bald darauf wurde über mehrere zum Medienkonzern gehörende Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet. Leo Kirch machte die Äußerung Breuers für die Pleite verantwortlich. Im Dezember 2012 - Kirch war bereits verstorben - urteilte das Oberlandesgericht München, dass Kirchs Erben Schadensersatz durch die Deutsche Bank zustehe. Diese zahlt rund eine Milliarde Euro.

Damit war der Fall aber noch nicht beendet. Am Montag endete nach einjähriger Verhandlung nun der Strafprozess gegen den aktuellen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen und frühere Spitzenmanager mit Freisprüchen. Das Verfahren ging auf Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft zurück. Sie warf nach umfassenden Ermittlungen und zwei Durchsuchungen der Frankfurter Bankzentrale den Managern vor, Richter und Justiz im Rechtsstreit mit Leo Kirch belogen zu haben. Für Fitschens Vorgänger Josef Ackermann, Rolf Breuer und zwei weitere frühere Deutsche-Bank-Vorstände wurden mehrjährige Haftstrafen gefordert. Für Fitschen selbst eine Bewährungsstrafe, da er selbst nicht gelogen habe, aber die Falschaussagen seiner Vorstandskollegen wider besseres Wissen nicht gestoppt habe. Die Angeklagten hatten immer bestritten, dass das Geldhaus Kirchs Konzern mit Absicht schaden wollte, um ein Beratungsmandat für die Zerschlagung der Unternehmensgruppe zu bekommen.

Das Prozessende war längst absehbar. Die nächst höhere Instanz, das Oberlandesgericht München, verwarf am vergangenen Donnerstag eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Zwischenentscheid des Landgerichts. Der Vorsitzende Richter Peter Noll hatte den Antrag von Staatsanwältin Christiane Serini abgelehnt, die Bank ein drittes Mal durchsuchen zu lassen. Noll begründete jetzt auch sein Urteil damit, dass sich in den vielen gesichteten Dokumenten keine Belege für die Vermutungen der Ankläger gefunden hätten: »Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts. Daraus kann man eigentlich nur schließen: Es gibt nichts.« Trotzdem, so Noll, sei das Verfahren nicht überflüssig gewesen, denn es habe durchaus einen Anfangsverdacht gegeben, der aufgearbeitet werden musste.

In gewissem Sinne nahm er damit Oberstaatsanwältin Serini in Schutz. Gegen sie läuft seit längerem eine, so Prozessbeobachter, »Medienkampagne«. Ihre Mutter war Richterin im Kirch-Verfahren, durch welches die Deutsche Bank zu Schadensersatz verurteilt worden war. Vorgeworfen wurde ihr, den Prozess mit immer neuen Beweisanträgen absichtlich in die Länge zu ziehen. Auch Fitschens Anwalt fuhr schweres Geschütz auf: Die Anschuldigungen seien »glatte Unverschämtheit, unredlich und erbärmlich«. Und triumphierte: »Nicht der Hauch eines Verdachts bleibt zurück«, wurde der Anwalt schon vergangene Woche zitiert.

Die Deutsche Bank zeigte sich am Montag erleichtert, eine wenngleich kleinere juristische Baustelle abgearbeitet zu haben. Intern werden die Kräfte stärker, die ein schnelles Ende der Rechtsstreitigkeiten auf drei Kontinenten suchen. Vorstand, Aufsichtsrat und Teile des Konzernbetriebsrates wollen lieber wieder lediglich in die Zukunft schauen.

Etwa zwölf Milliarden Euro hat die Bank schon für Rechtsstreitigkeiten verbrannt. Der Kleinaktionärsverband DSW hat eine Sonderprüfung vor dem Landgericht Frankfurt durchgesetzt, um bis zur Hauptversammlung im Mai die Risikosysteme der Bank zu durchleuchten. Ursprünglich sollte auch untersucht werden, ob die Rückstellungen von 5,5 Milliarden Euro für weitere Strafen und Vergleiche ausreichen.

Vielleicht kann auch der Münchner Prozess noch nicht abgehakt werden: Die Staatsanwaltschaft dürfte versuchen, in den nächsten Tagen Berufung gegen das Urteil einzulegen.

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