Hey, hey, hey!

Schlagerrock: Trümmer

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf dem neuen Album kommt nicht nur die wie aus der Stanzenfabrik angelieferte Mittelstufenschülerlyrik zu ihrem Recht. Auch ertönt passgenau dazu ein ganz schrecklich unorigineller Schlonz- und Knödelrock.

Hat Helene Fischer etwa schon wieder eine neue Platte gemacht? Hört sich jedenfalls so an: »Eingehüllt in roten Dunst, finden und verlier’n wir uns / Du siehst die Dinge und fragst: Warum? / Ich seh’ sie auch und frage: Warum nicht? (…) Es wär’ Verrat, den wir begehen, wenn wir nicht denken, was wir fühlen / Nicht an das glauben, was wir wissen, vielleicht wird uns die Wahrheit küssen (…) Du bist die Wahrheit, ich die Lüge, du bringst das Licht, ich die Intrige / Du bist Vernunft und ich der Wahn, trotzdem kommt es auf uns an.« Wo man sich, in Dunst gehüllt, findet und verliert, wo gedacht wird, was man fühlt, wo das Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Schema regiert, wo Gegensätze in Harmonie zusammenfinden und wo der offensichtlich von Limonadenköpfen, die sich für Großdichter halten, zusammengereimte Blödsinn durch die Verwendung großer Worte (Verrat, Wahrheit, Lüge, Vernunft) und bedeutungsschwangeres Geraune so absichtsvoll verdunkelt wird, dass auch das Herbeibringen von Licht nicht mehr allzu viel hilft, da wohnt der deutsche Schlager.

Und auch wenn er sich geschickt zu tarnen versucht, wie in diesem Fall, und den Eindruck erwecken will, es handle sich bei ihm um das erstaunliche poetische Großwerk einer aufmüpfigen, possierlichen Bande E-Gitarren schwenkender, ungekämmter Halbstarker, so lacht seine Fratze doch aus jedem zweiten Vers hervor: »Lass mich dein Schatten sein am andere Ende der Nacht / Hey, hey, hey, ich bitte dich, führ mich hinters Licht (…) Manchmal musst du ins Dunkel gehen, um zu erkennen, wer du wirklich bist.« Des weiteren leuchten logischerweise die Sterne und es pochen oder brechen Herzen. »Du und ich, mach dir keine Sorgen (...) was kümmert uns das Morgen, es geht um dich und mich.«

Der Hype um das Hamburger Jungmännertrio Trümmer, drei Mittzwanziger, war schon vor zwei Jahren, beim Erscheinen des Debütalbums, unerträglich. Auch jetzt geht es wieder los: »Pötsch«, so heißt es auf dem Reklamewisch der Promoter, texte nun »intuitiver, emotionaler, direkter«, das Trio habe »eine Art Haltung«. Was immer das genau heißen soll.

Der Gitarrist, Sänger und Texter Paul Pötsch, ganz offenbar eine Art Chefdenker der Gruppe, beschreibt seine Art Haltung wie folgt: »Viele dieser Texte waren einfach da, ohne dass man so richtig sagen konnte, wie sie entstanden sind.« Ah, ja, interessant.

Auf dem neuen Album des Trios, »Interzone«, kommt aber nicht nur die wie aus der Stanzenfabrik angelieferte Mittelstufenschülerlyrik zu ihrem Recht. Auch ertönt passgenau dazu ein ganz schrecklich unorigineller und antiquiert klingender, quälender Schlonz- und Knödelrock mit Wimmergitarre, der stark an den Retro-Rock der Strokes erinnert.

Trümmer: »Interzone« (PIAS Germany/Rough Trade). Konzert: 3.5., 21 Uhr, im ehemaligen »Antje Öklesund«, Berlin

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