Stehen TTIP-Verhandlungen vor dem Abbruch?

Französische Vertreter Matthias Fekl hält Scheitern für »wahrscheinlichste Option« / USA kommen Europa demnach zu wenig entgegen / Auch in der SPD wächst der Widerstand

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»Europa schlägt viel vor und bekommt im Gegenzug kaum etwas«, kommentiert ein Vertreter Frankreichs die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP. Der Europäer sieht die Chancen auf eine Einigung schwinden.

Paris. Der für das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zuständige französische Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl rechnet mit einem Abbruch der Verhandlungen. Ein Stopp der Gespräche scheine derzeit »die wahrscheinlichste Option« zu sein, sagte Fekl am Dienstag im Radiosender Europe 1. Er sage dies »mit Blick auf die derzeitige Einstellung der USA«.

»Europa schlägt viel vor und bekommt im Gegenzug kaum etwas«, beklagte Fekl. »Das ist nicht akzeptabel.« Zugleich betonte der Staatssekretär, es könne kein Abkommen »ohne Frankreich, und schon gar nicht gegen Frankreich« geschlossen werden.

Für Paris sei unter anderem wichtig, dass kleine und mittelständische Unternehmen Zugang zum US-Markt bekämen. Auch der Schutz regionaler Landwirtschaftsprodukte müsse bestehen bleiben. Fekl kritisierte zugleich, die USA wollten nicht über das in Europa geltende Vorsorgeprinzip im Verbraucherschutz sprechen. Die Verhandlungen seien an diesem Punkt »total blockiert«.

Am Dienstagnachmittag schlug Frankreichs Staatschef François Hollande erneut in die gleiche Kerbe und drohte mit einer Ablehnung von TTIP. Nach jetzigem Stand der Verhandlungen würde Frankreich »Nein« zu dem geplanten Abkommen zwischen Europa und den USA sagen, betonte der Präsident in Paris. »Wir sind nicht für Freihandel ohne Regeln.«

Hollande hatte bereits im April gewarnt, Frankreich könne immer »Nein« zu dem Abkommen sagen. »Wir werden niemals akzeptieren, dass die Grundprinzipien für unsere Landwirtschaft, unsere Kultur, für die Gegenseitigkeit beim Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Frage gestellt werden«, sagte Hollande nun bei einer Veranstaltung unter dem Motto »Die Linke an der Macht«. Frankreich habe Grundbedingungen gestellt etwa für Regeln auf den Gebieten der Gesundheit, der Umwelt, der Sicherheit von Lebensmitteln und der Kultur.

Am Montag hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace unter ttip-leaks.org 13 sogenannte konsolidierte Texte ins Internet gestellt, in denen die Verhandlungspositionen der USA und Europas zu unterschiedlichen Fragen zu erkennen sind. Dies löste heftige Diskussionen aus.

Greenpeace beklagte, die USA wollten europäische Schutzstandards auflösen. Die Verhandlungen müssten abgebrochen werden. Die EU-Kommission und auch die Bundesregierung betonten hingegen, die veröffentlichten Texte gäben nur Verhandlungspositionen wieder. Bestimmte Standards stünden in den Gesprächen keinesfalls zur Debatte.

NAch den Enthüllungen wächst auch in Deutschland der Widerstand gegen TTIP. Der bayerische SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher plädierte am Dienstag in München für einen Abbruch der Verhandlungen mit den USA. »Wir müssen jetzt den Reset-Knopf drücken«, sagte Rinderspacher. SPD-Chef Sigmar Gabriel befürwortet das Abkommen nach wie vor, wenn auch inzwischen mit Vorbehalten. »Die roten Linien (der SPD) dürfen sich nicht zu Wanderdünen entwickeln«, sagte Rinderspacher in Richtung Berliner Parteizentrale. Zu den »roten Linien« der SPD gehört unter anderem, dass die europäischen Standards im Verbraucherschutz gewahrt bleiben sollen.

Die Verhandlungen über TTIP laufen bereits seit Juli 2013; für die EU führt die EU-Kommission die Gespräche. Befürworter erhoffen sich von dem Abkommen einen enormen Schub für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Kritiker befürchten den Abbau von Standards etwa im Verbraucher- und Umweltschutz. Zudem verlaufen die Verhandlungen demnach völlig intransparent und die bereits bekannten Inhalte widersprächen demokratischen Grundprinzipien. dpa/nd

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