Der Anhalter - Tor zur Welt

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In seiner Reihe »Geheimnisvolle Orte« zeigt das rbb-Fernsehen an diesem Dienstag Eva Rögers Film »Der Anhalter Bahnhof«. Erzählt wird darin von der wechselhaften und geheimnisvollen Geschichte des Bahnhofs, der einst das lebendige Herz einer pulsierenden Metropole war und allmählich aus dem Stadtbild und dem Bewusstsein der Berliner verschwand.

Als »Tor zur Welt« wurde er bezeichnet, und wenn der Berliner liebevoll von seinem »Anhalter« sprach, dann schwang Fernweh und Begeisterung mit. Der Name des Bahnhofs am Askanischen Platz gab die Richtung vor: das Herzogtum Anhalt südwestlich der Hauptstadt Preußens. Schon bald erreichte man jedoch fernere, klangvollere Ziele wie Rom, Athen und Konstantinopel mit der Eisenbahn. Der Anhalter Bahnhof wurde zum Synonym für Fernweh.

Der Anhalter, Endpunkt eines wahren Schienen-Deltas, das hinter dem Landwehrkanal die Stadtlandschaft zerteilte, war seit der Einweihung des neuen Bahnhofsgebäudes 1880 das imposanteste Bauwerk der jungen Industrie-Metropole. Sein Dach überspannte eine Fläche, breiter noch als der Boulevard Unter den Linden. Mit dem südlich vorgelagerten Güterbahnhof war der Anhalter Berlins größter Warenumschlagplatz. Alles wurde hier herbeitransportiert: Stahl und Postpakete, Milch und Fleisch, Zeitungen aus aller Welt. Hier schlug bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Berlins logistisches Herz. Am Anhalter empfingen schon die deutschen Kaiser ihre Staatsgäste, eine pompöse Propagandainszenierung aber erlebte der Bahnhof bei der Rückkehr Adolf Hitlers nach dem Frankreichfeldzug 1940.

Zeitzeugen erinnern sich aber auch an die die Deportationen vieler, vieler Berliner Juden in getarnten Zügen , also von mehrere tausend Mitbürgern jüdischen Glaubens, die bereits ab Juni 1942 von diesem »schönsten Bahnhof der Stadt« durch die Deutsche Reichsbahn AG, teils verschleiert, teils ganz offen an die die Vernichtungsorte von Auschwitz, Theresienstadt und Riga transportiert wurden.

Nur ein Rest der Eingangsfront am Askanischen Platz blieb stehen. Heute ist es zu einem Denkmal für die Schrecken des Krieges geworden. In den restaurierten Lokschuppen des Anhalter Betriebswerks stellt das Technikmuseum seit 1983 die Relikte dieser Eisenbahngeschichte Berlins aus. nd

rbb, 20.15 Uhr

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