Kaspersky-Ableger macht auf Spion

Neue Software soll Totalüberwachung von Diensthandys ermöglichen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Der russische IT-Konzern bastelt an einer Software, mit der Chefs ihre Angestellten belauschen könnten. Doch womöglich scheitert das Projekt an der Verfassung.

Mal schnell über den Chef lästern, womöglich beim Plausch mit einer Kollegin von der Konkurrenz? In Russland könnte schon bald Schluss mit lustig sein. Denn der IT-Konzern Infowatch hat eine Unternehmenssoftware entwickelt, die Handygespräche von Mitarbeitern nicht nur aufzeichnet, sondern auch analysiert. Dazu werden in den Räumen des Auftraggebers Geräte installiert, die wie Signalverstärker für Mobilfunk wirken. Sie loggen sich in die Netze ein und schneiden den gesamten Verkehr mit. Spracherkennungssoftware »übersetzt« die akustischen Signale dann in Text und sucht in diesem nach Schlüsselworten, die der Kunde zuvor festgelegt hat.

Das System sei nur für den Einsatz in den Räumen des Auftraggebers vorgesehen und habe ausschließlich auf die SIM-Karten von Firmenhandys Zugriff. Es erkenne Signale von privaten oder Besucherhandys als solche und leite diese an »normale« Basisstationen der Mobilfunkanbieter zurück. So jedenfalls stellt es Natalja Kasperskaja dar, die Mehrheitsaktionärin und Generaldirektorin von Infowatch. Das Unternehmen ist auf Data Leak Prevention (DLP) spezialisiert: Verhütung von unberechtigter Weitergabe sensibler Daten durch Insider. Russland wurde 2015 in dieser Sportart Vizeweltmeister. Und Experten rechnen für die kommenden vier Jahre mit einem Anstieg von bis zu 60 Prozent.

Zu dem brisanten Thema äußerte sich sogar schon Kremlchef Wladimir Putin. Data Leak und Cyber-Attacken seien Bestandteile des Informationskrieges, den der Westen gegen Moskau führe, russische Unternehmen sollten sich dagegen mit einheimischer Software schützen

Der Markt ist überschaubar, Platzhirsch ist Infowatch. Schon 2012 entwickelte die Firma Programme, die den E-Mail-Verkehr der Mitarbeiter auf firmeneigenen Rechnern sowie deren Telefonate mit Skype und anderen VOIP-Anbietern mitlesen und analysieren. Das 2003 gegründete Unternehmen war ursprünglich eine Tochter von Kaspersky-Labs, das eines der weltweit besten Anti-Viren-Programme mit integriertem sicherem Zahlungsverkehr und Schutz vor Ramsonware bietet: Dabei nehmen Hacker Kundendaten in Geiselhaft und fordern Lösegeld. Jewgeni Kaspersky und Ehefrau Natalja hatten die Idee gemeinsam schon in der Gründerzeit des Internets entwickelt.

2007 ließen sie sich scheiden. Wie es heißt, auch wegen »ideologischer Differenzen«. Gemeint war vor allem die Bereitschaft zur Kooperation mit russischen Geheimdiensten. Diese, so die Vermutung kritischer Experten, seien womöglich die eigentlichen Auftraggeber für die Handyüberwachung. Und praktischerweise auch für die Lizenzierung der Überwachungssoftware zuständig.

Scheitern könnte das famose Projekt dennoch: An der russischen Verfassung. Post- und Telefongeheimnis sind durch Artikel 23 geschützt. Zwar will die Duma das Gesetz über Marktmanipulationen durch Insiderwissen drastisch verschärfen. Doch noch ist unklar, ob Telekommunikationsanbieter der Aufsichtsbehörde nur auf deren Anfrage hin Kundendaten herausgeben dürfen. Zurzeit ist dies nur per Gerichtsbeschluss möglich.

Kasperskaja selbst sieht keinen Konflikt zum Grundgesetz: Aufzeichnung und Auswertung des Mobilfunkverkehrs würden maschinell erfolgen. Gegner indes halten bereits den Probebetrieb für gesetzwidrig: Die Demonstration des Prototyps habe gezeigt, dass dieser ohne das Okay der Mobilfunkanbieter funktioniert.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal