Kaum Kugeln am Baum
Jörg Meyer über das erste Grundsatzurteil zum Mindestlohn
Das Bundesarbeitsgericht hat gesprochen, die klagende Beschäftigte hat verloren: Weihnachts- und Urlaubsgeld können angerechnet und monatlich anteilig gezahlt werden, um auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro zu kommen.
So unschön dieses höchstrichterliche Urteil ist: Es bleibt abzuwarten, wie viele Menschen davon tatsächlich betroffen sind. Die Konstellation in dem Betrieb ist erstens kaum verallgemeinerbar. Zweitens ist ohnehin fraglich, wie viele Menschen, die bis zum 1. Januar 2015 in einem Niedriglohnbereich gearbeitet haben, überhaupt Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen. Denn die sind eher Hinweis auf Tarifverträge oder zumindest halbwegs vertraglich geregelte Arbeitsbedingungen.
Klar ist aber auch, dass der kommunale Klinikbetreiber, um dessen Tochtergesellschaft es hier ging, mit der Betriebsvereinbarung, die die monatliche Auszahlung der Sonderzahlung regelt, eine pfiffige Idee hatte, um Lohnkosten zu sparen. Viele dieser Ideen hat man gesehen. Etwa Gebühren für Messer und Kleidung in Schlachthöfen oder die Anrechnung der Trinkgelder auf den Mindestlohn.
Hier hat also einmal ein Trick funktioniert. Und das mit Hilfe eines Betriebsrates, der die Vereinbarung unterzeichnet hat. Unter Druck? Aus Unwissenheit? Das möchte man die gewählten Mitglieder des Gremiums gerne fragen. Denn einen Gefallen haben sie ihren Kolleginnen und Kollegen damit nicht getan.
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