High-Tech-kontrolliertes Ertrinken

EU schafft Voraussetzungen zum Einsatz von Drohnen zur Grenzüberwachung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX will noch in diesem Jahr Drohnen testen, die die Flüchtlingsabwehr effektiver machen sollen. Auch scheinbar ganz zivile Organisationen werden eingebunden.

Was haben die EU-Fischereiaufsicht (EFCA), die EU-Agentur für die Sicherheit im Seeverkehr (EMSA), die EU-Agentur für Flugsicherheit (EASA) und andere mit der Abwehr von Flüchtlingen zu tun? Demnächst sehr viel. Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX will diverse Fachorganisationen einspannen, um Flüchtlinge am Erreichen eines möglichen Asyllandes zu hindern.

Die bisherige Methode, Marineschiffe einzusetzen, ist nicht effektiv. Erstens, weil allzu viele Flüchtlinge nicht gerettet werden können - was wahrlich nach Veränderung schreit. Zweitens sind derartige Operationen wie EUNAVFOR MED, auch »Sophia« genannt, teuer und laugen viele Einsatzkräfte aus. Die EU-Verantwortlichen haben aber noch einen dritten Grund, um über Alternativen nachzudenken: Die Menschen, die die Marinesoldaten vor der Küste Libyens aus dem Wasser ziehen, werden an das europäische Festland gebracht. Dort muss ihnen Gelegenheit gegeben werden, um Asyl zu bitten. Genau das will man aber verhindern.

Daher wollen NATO- und EU-Staaten nun die libysche Küstenwache reaktivieren. Sie soll die Abwehrarbeit bereits innerhalb der Territorialgewässern leisten. Doch Boote und Besatzungen allein reichen nicht. Man muss beabsichtigte Überfahrten rechtzeitig entdecken und die Abfangoperationen leiten können. Dazu ist nichts besser geeignet als Drohnen. Diese unbemannten Flugmaschinen können 24 Stunden am Stück und länger optische Aufklärung betreiben. Bereits Ende 2014 hatten sich FRONTEX-Vertreter mit Flugzeugherstellern zu einem Workshop getroffen. Die Bundespolizei war dabei, bestätigte jetzt die deutsche Regierung gegenüber dem Linksabgeordneten Andrej Hunko.

Sieben Drohnentypen seien näher untersucht worden, darunter war die israelische »Heron 1«, die die Bundeswehr im Afghanistan-Krieg einsetzt. Bei anderen Gelegenheiten brachten Rüstungskonzerne wie Airbus oder Northrop Grumman Alternativen ins Spiel. Das gescheiterte »EuroHawk«-Projekt feierte eine - bislang halbe - Auferstehung. In Finnland wie in Griechenland hat FRONTEX Drohnen probeweise fliegen lassen. Die EMSA habe entsprechende Tests bereits in Malta, Portugal und in den Niederlanden durchgeführt, bestätigt die Bundesregierung und Hunko weiß, dass die Seeverkehrsorganisation ein Jahresbudget von 25 Millionen Dollar hat, um entsprechende Projekte voranzutreiben. Zugleich verfügt die EMSA über Erfahrungen beim maritimen Einsatz von Satelliten, die für Menschenfänger interessant werden.

Freilich gibt es noch rechtliche Probleme beim Einsatz von Drohnen, denn sie operieren im allgemeinen zivilen Luftraum. Die EASA ist dabei, derartige gesetzliche Hürden zu beseitigen. Auch entwickelt man Methoden, um Daten beispielsweise der International Maritime Organisation (IMO) mit speziellen Anomalie-Algorhitmen und Prognosetools zu koppeln, um so jene Schiffe aus dem gewaltigen Mittelmeer-Verkehr herauszufiltern, deren Verhalten auf beabsichtigte illegale Migration hindeutet.

Noch bedarf es einiger technischer Entwicklungen, auch müssen einige Gesetze modifiziert werden, doch das EU-Grenzdrohnen-Projekt ist gestartet. Dann geht der Friedensnobelpreisträger EU zum Projekt »High-Tech-kontrolliertes Ertrinken« über.

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