Gehorsam wird Neubürgerpflicht

Heftiger Widerspruch im Bundestag gegen das geplante Integrationsgesetz

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.
Wieder plant die Koalition ein Gesetz für Flüchtlinge. Und wieder ist es ein Gesetz voller Restriktionen. Der Bundestag begann die Debatte - über das Integrationsgesetz.

Nach mehreren »Asylpaketen« hat die Große Koalition ein Integrationsgesetz auf den Weg gebracht. Am Freitag begründete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der den Entwurf gemeinsam mit Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verantwortet, die Vorstellungen der Bundesregierung. Menschen mit Bleibeperspektive sollten einerseits Förderung erhalten und andererseits Integrationspflichten erfüllen, zu denen etwa Wohnsitzauflagen oder auch Sanktionen im Falle einer Verweigerung von Integrationskursen gehören. Wer zu den geforderten Maßnahmen »nicht bereit ist, dem wird es in Deutschland nicht gut gehen«, fügte de Maizière hinzu. Flüchtlingen ohne Bleiberecht kündigte der Minister Abschiebung an, was angesichts der bereits herrschenden Praxis von Abschiebungen auf eine neue Härte hindeutet.

Tatsächlich erkennt die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl im Entwurf des Integrationsgesetzes den Versuch, neuerliche Verschärfungen des Asylrechts unterzubringen. Es werde damit die Möglichkeit geschaffen, Schutzsuchende vom Asylrecht auszuschließen, wenn unter bestimmten Voraussetzungen ein Nicht-EU-Staat bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen. Der EU-Türkei-Deal diene hier als Blaupause, hatte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, bereits gewarnt. Bei der im Gesetz vorgesehenen Umsetzung einer entsprechenden EU-Asylverfahrensrichtlinie werde diese nur »in ihren restriktiven Elementen« realisiert. Auch die großen christlichen Kirchen sowie viele Wohlfahrtsverbände hatten vor den Folgen des Gesetzes gewarnt, sollte es den Bundestag passieren. Sie betrachten beispielsweise die vorgesehene Wohnsitzauflage für bereits anerkannte Flüchtlinge als integrationshinderlich.

Die Linksfraktion teilt die Kritik an dem vorliegenden Entwurf. Mit der Wohnsitzauflage - bisher gilt eine Residenzpflicht nur für Geduldete sowie für die Dauer des Asylverfahrens - werde Integration hintertrieben, warf die migrationspolitische Sprecherin der LINKEN, Sevim Dagdelen, der Koalition vor. »Sie handeln nach dem zaristischen Entwicklungsmodell für Sibirien!«, schalt sie. Zudem sieht sie mit der geplanten Schaffung von Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge einen neuen Billiglohnsektor entstehen.

Arbeitsministerin Nahles findet gerade diesen Punkt lobenswert am Entwurf. Arbeit sei der beste Weg zur Integration. Geplant sind 100 000 Arbeitsgelegenheiten im gemeinnützigen Bereich und in den Unterkünften selbst. Auf die angebliche Integrationsverweigerung von Flüchtlingen ging Nahles nicht ein. Mit dieser hatte de Maizière die höheren Auflagen an Flüchtlinge begründet. Deutschlands »Neubürger« hätten sich hiesigen Gepflogenheiten unterzuordnen. Brigitte Pothmer von den Grünen sieht das Gesetz »durchzogen vom Geist der Ausgrenzung«. Die Koalition bediene damit rechte Stimmungen, so Dagdelen.

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