Zwischen den Fronten

Bischof Miguel Patiño Velásquez über die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Bürgerwehren, Armee und Kartellen

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 2 Min.
Bischof Miguel Patiño Velásquez war bis 2015 im Amt und Bischof von Apatzingán, der viertgrößten Stadt im Bundesstaat Michoacán. Sie ist eine der zwischen Bürgerwehren, Armee und Kartellen heftig umkämpftesten Kommunen.

Die Gewalt in Michoacán macht auch nicht vor der Kirche halt. Sie haben in den vergangenen 15 Jahren fünf Priester beerdigen müssen. Warum ist die Region um Apatzingán so umkämpft?

Alles begann mit der Einführung der Samen für den Anbau von Marihuana. Die Leute haben nach Auswegen gesucht, um besser leben zu können. Die Erträge beim Anbau von Marihuana waren schlicht höher als die konventioneller Pflanzen. Also haben sie auf den Anbau von Marihuana umgestellt. Doch damit begannen die Probleme, denn die Kartelle schleppten die Samen nur ein, um Einfluss in der strategisch wichtigen Region zu gewinnen. Dort befindet sich schließlich mit dem Hafen Lázaro Cárdenas einer der wichtigen Umschlagplätze der Region und die Tempelritter als (das alsbald dominierende Kartell) hatten bald die gesamte Region unter ihrer Kontrolle - ausgehend von Apatzingán.

Haben sich die Aktivitäten der Tempelritter auf den Drogenanbau beschränkt oder sind sie auch in anderen Wirtschaftszweigen aktiv?

Nein auch im Limonen-, im Avocadoanbau, beim Holzeinschlag sind sie präsent. Sie besteuern die Produktion pro Kilo, verlangen Abgaben und davon ist die gesamte Wirtschaft durchdrungen. Wer nicht zahlt, muss damit rechnen, dass Angestellte oder Familienangehörige entführt werden.

Vor rund zwei Jahren haben die Autodefensas in einigen Gebieten, darunter Apatzingán, die Tempelritter mit Waffengewalt vertrieben. Wie kam es dazu?

Die Leute hatten die Nase voll, begannen sich Dorf für Dorf, Gemeinde für Gemeinde zu organisieren, zu bewaffnen und den Kartellen die Stirn zu bieten. Es ging darum, die eigene Region zu organisieren und den Tempelrittern die Stirn zu bieten. Sie wurden in einem Areal von rund 200 Quadratkilometern verdrängt. Die Bürgerwehren richteten Kontrollposten auf den Verbindungsstrecken zwischen den Städten wie Tancítaro und Apatzingán ein.

Wie ist die Situation derzeit?

Das ist ein Krieg und es geht um enorme Summen, denn längst werden auch in der Region chemische Drogen hergestellt. Teilweise unter dem Deckmantel von Polizei und Militärs - es ist überaus schwierig, sich zu orientieren und die Zivilgesellschaft befindet sich zwischen den Fronten. Es ist oft nicht klar, wer zu wem gehört. Die Situation ist unübersichtlich und das hat mit der Überführung einiger Bürgerwehren in die lokale Polizei weiter zugenommen. Vielen Bürgerwehren, die anfangs aus der Bevölkerung heraus entstanden, kann man heute zudem kaum mehr vertrauen - zum Teil sind sie unterwandert und stehen nicht mehr wie 2012 oder 2013 im Dienste der Zivilgesellschaft.

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