Ein Maler meditativer Erlebnisfähigkeit

Wolfgang Leber gibt im Märkischen Museum einen Rückblick auf 50 Jahre seines Schaffens

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Was schlägt uns immer wieder in den Bann, wenn wir seine Arbeiten betrachten? Zunächst scheinen sie »nur« Modelle der räumlich-architektonischen Umwelt auf der Fläche zu sein. Jedes persönliche Erinnerungsstück, das als Attribut eines Menschen verstanden werden könnte, ist hier vermieden. Wolfgang Lebers (Innen- und Außen-)Räume haben eine anonym geometrisierende Form, sie sind Spiegelungen, Brechungen, Krümmungen, Reflexionen - Abbild und Sinnbild - der psychischen und geistigen Existenz des Menschen, vermögen aber durchaus auch die Last sozialer Bedeutungen zu tragen. In diesen Räumen erscheinen die Figuren vereinsamt, sie scheinen sich ihnen wie ausgeliefert zu fühlen. Aus stereometrischen Grundformen zusammengesetzt, sind es Figurenzeichen ohne äußere Physiognomie wie eigene Psyche, Kunstfiguren aus kontrastierenden Form- und Farbelementen. Die für das späte Bauhaus charakteristische Sachlichkeit und systematische Konstruktion sind hier gewiss nicht ohne Einfluss gewesen.

Aber der Maler und Grafiker Wolfgang Leber, der auch durch seine Malerei auf keramischen Gefäßen und seine Bildhauerei bekannt geworden ist, will seine Arbeiten nicht als intellektuelle Bilder verstanden wissen. Der ästhetische Bezug zur Rationalität und Präzision der technischen Form wird immer wieder aufgehoben durch die Emotionalität der Gestaltung. Trotz thematischer und motivischer Begrenzung - Figur, Raum, Stadt, Natur, Stillleben - verfügt er über einen Malstil von außerordentlicher Spannweite: Der unterkühlte, kalte Konstruktivismus wird belebt durch die sensitive Farbe. Farbfeld stößt an Farbfeld, Farblicht steht gegen Farbmaterie, Farbflächen mit ihren Kontrasten übernehmen den Aufbau der Komposition. Die Kühnheit seiner Farben lässt uns immer wieder staunen: das Rostrot und Zinnober, die tiefen, vollen Kobaltblaus und das sanfte Veilchenblau, die Fuchsien- und Orangentöne, die samtigen Schwarz und Hellgelb. Das hervorstechende Merkmal des persönlichen Stils von Wolfgang Leber ist seine meditative Erlebnisfähigkeit. Seine Bilder treten aus dem ästhetischen Raum heraus und erhalten eine soziale Funktion.

Der gebürtige Berliner studierte an der Werkkunstschule und der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg, musste aber durch den Mauerbau 1961 sein Studium abbrechen. Er war dann freischaffend tätig, leitete 25 Jahre lang aufopferungsvoll das Werkstudio Grafik im Prenzlauer Berg, wurde 1990 einer der Initiatoren der Künstlerinitiative »Maisalon«, die jährlich größere Ausstellungen mit Berliner Kunst in Berlin, Frankfurt/M. und Bonn zeigte, nahm verschiedene Lehraufträge wahr und war zuletzt Professor für Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Im letzten Jahrzehnt sind die Arbeiten des Künstlers zunehmend instabiler und komplizierter geworden. Doch die tragenden und lastenden, fallenden und stürzenden, ziehenden und stoßenden Flächen stellen letztendlich doch ein Gleichgewicht aus elementaren Spannungen her, das auch durch Dissonanzen nicht völlig aufgehoben wird. Linien spannen sich zu Geraden, schräge Körperebenen richten sich zur Vorderfläche parallel, Senkrechte steht neben Waagerechte, Körper gegen Raum. Die Spannung zwischen Expressivem und Konstruktivem, Hell und Dunkel, Schwermütigem und Heiterem, fast Mediterranem, Position und Negation, Intuition und klarer, geistiger Kontrolle hält die Bilder zusammen.

Wolfgang Leber - Bilder aus 50 Jahren. Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, Mitte, Di-So 10-18 Uhr, bis 25. September

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