Strategie ohne Trennschärfe

Bundeskabinett beschließt Extremismus-Präventionsprogramm

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein Programm zur Extremismusprävention beschlossen. Die neue Strategie richtet sich gegen Neonazis, Linke und Islamisten.

»Von den Extremen ist das eine mehr, das andere weniger fehlerhaft«, meinte Aristoteles einmal. Das Bundeskabinett sieht das anders als der griechische Philosoph und beschloss am Mittwoch eine »umfassende Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung«. Unter Kapitel 2.1. werden dort diverse extremistische Strömungen aufgeführt. »Schwerpunkt der präventiven Maßnahmen«, heißt es dort, liege »im Bereich der Rechtsextremismusprävention«. Die Autoren verweisen auf die »starke Steigerung rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten« um 42 Prozent gegenüber 2014 und warnen: »Die Anzahl der Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund liegt insgesamt im letzten Jahr bei 21.933«.

Doch schon einen Absatz später wendet man sich der »linken Militanz« zu. Im Jahr 2015 sei die Anzahl linksextremistisch motivierter Gewalttaten um 62 Prozent angestiegenen. »Die Anzahl der Straftaten liegt in diesem Bereich im letzten Jahr insgesamt bei 5620«, heißt es dort unter Verweis auf den Verfassungsschutzbericht des Bundes. Sind die Linken also noch gefährlicher als die Rechten? Die Angaben zu linken Straftaten sind umstritten, zählen die Behörden doch »Verstöße gegen das Versammlungsgesetz« mit, also auch Hunderte Fälle von Sitzblockaden gegen Neonazi-Aufmärsche. Linke Organisationen und selbst Medien wie der »Spiegel« kritisieren diese Erfassung seit Jahren.

Dass diese Zahlen in dem 64-seitigen Papier auftauchen, ist kein Zufall. Schließlich handelte es sich bei der Strategie gegen Extremismus um ein »Gemeinschaftsprojekt«, wie ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums am Mittwoch gegenüber »nd« betonte. Das Papier sei »in gemeinsamer Federführung« mit dem Bundesinnenministerium entstanden, so der Sprecher.

Ganze folgerichtig erklärte seine Chefin bei der Vorstellung des Papiers am Mittwoch in Berlin: »Die Stärkung der Demokratie und die Prävention sind im Kampf gegen Extremismus und Menschenfeindlichkeit genauso unverzichtbar wie die Arbeit der Sicherheitsbehörden.« Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sekundierte: »Erfolgreiche Prävention verhindert das Auseinanderbrechen von Familien, verhindert Straftaten und verhindert, dass aus Mitgliedern der Gesellschaft Gegner der Gesellschaft werden.«

Trotz der Kooperation mit den Sicherheitsbehörden erklärte Ministerin Schwesig, sie wolle die Zivilgesellschaft noch stärker mit einbinden. »Schon jetzt arbeitet die Bundesregierung im Bereich Extremismusprävention und Demokratieförderung mit fast 700 Partnern im gesamten Bundesgebiet zusammen«, lobte die Ministerin. Noch in dieser Legislaturperiode soll die Strategie in einen »Nationalen Aktionsplan« gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit münden.

Die Bundesregierung sorgt sich aber auch um »islamistische Radikalisierung«. Ihr soll bereits im Vorfeld »entgegengewirkt werden«. Anders als bei den Rechten und Linken verzichten die Autoren hier auf genauere Zahlen.

Allen drei Extremismen will man im Rahmen von Modellprojekten entgegenwirken. Für das Programm »Demokratie leben« stellt die Bundesregierung rund 104 Millionen Euro bereit. Von dem Geld sollen auch Projekte zu »ausgewählten Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Demokratiestärkung im ländlichen Raum« finanziert werden. Hier geht es um Antiziganismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit ebenso wie um Homophobie und Antisemitismus. »Überall soll mit Jugendlichen diskutiert, sollen Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und sonstige Bezugspersonen unterstützt, soll Ausstiegswilligen geholfen und Hass- und Hetztiraden im Netz entgegengetreten werden«, heißt es dazu im Papier.

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