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Rentnerarbeit soll billiger werden

Ein Entwurf des Bundesarbeitsministeriums sieht Änderungen bei Zuverdienstgrenzen und Beitragsentlastungen für Arbeitgeber vor

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Große Koalition will ältere Arbeitnehmer motivieren, länger in Büro oder Fabrikhalle zu bleiben. Doch am nun vorliegenden Entwurf zur »Flexi-Rente« gibt es heftige Kritik von Experten.

Union und SPD wollen den Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand flexibler gestalten. Vor wenigen Tagen wurden die Eckpunkte des Entwurfs aus dem Bundesarbeitsministerium zur sogenannten Flexi-Rente bekannt. Demnach sollen die Hürden für eine vorgezogene Teilrente abgesenkt werden. Zukünftig dürfen Teilrentner ab 63 dann mehr vom Zuverdienst behalten. Bislang greifen Hinzuverdienstgrenzen, wenn der Betroffene für seine Tätigkeit mehr als 450 Euro erhält. Je nach Höhe sinkt die Teilrente dann auf die Hälfte oder ein Drittel. Das ist kaum attraktiv für jene, die nicht Vollzeit bis zum Erreichen ihrer Regelaltersgrenze Vollzeit arbeiten wollen oder können.

Weil die Hürden so hoch sind, entscheidet sich in der Realität kaum jemand für die Teilrente. Wie die »Wirtschaftswoche« am Montag betonte, hätten im vergangenen Jahr »von 800 000 Neurentnern auch nur 2000 das Modell einer Teilrente gewählt«, da aufgrund der Hinzuverdienstgrenzen für Teilrentner mit vollen Rentenbezügen »faktisch nur Minijobs möglich« seien.

Der Entwurf für die Flexi-Rente aus dem Hause Nahles sieht nun vor, dass bei Teilrentnern auf alle Gehälter oberhalb der 450-Euro-Minijob-Grenze nur noch zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet werden sollen. Der Flexi-Rentenentwurf sieht auch vor, dass man anders als heute höhere Renten erreichen kann, wenn man neben einer Vollrente einer Beschäftigung nachgeht.

Kritik am Vorstoß kommt nicht nur von den Gewerkschaften, die gefordert hatten, ein Teilrente solle bereits ab dem 60. Lebensjahr und nicht erst ab 63 möglich sein.

Marina Herbrich, die Präsidentin des Bundesverbandes der Rentenberater, begrüßte zwar den Vorstoß als überfällig, kritisierte aber die bürokratischen Hürden. »Was aber vor allem fehlt«, so Herbrich, »ist ein tragfähiges Konzept für Geringverdiener und gegen Altersarmut«. Gerade für Rentner mit Minirenten oder Grundsicherung ändere sich durch die flexiblen Hinzuverdienstgrenzen gar nichts. »Das bedeutet nur, was sie längst wissen: Dass sie neben der Rente arbeiten müssen. Wenn sie überhaupt einen Job finden. Aber an einen flexiblen Einstieg in die Rente ist da doch gar nicht zu denken«, so die Präsidentin. Die Rentenberater sind übrigens keine windigen Vertreter von Versicherungskonzernen, sondern unabhängige Rechtsberater, die ihre Tätigkeit gern mit Steuerberatern vergleichen.

Die Flexi-Rente entpuppt sich bei genauerem Hinsehen auch als Subventionsprogramm für die Privatwirtschaft. Laut Entwurf will man den Arbeitgebern die Sache schmackhaft machen, indem man sie bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung »entlastet«, wenn sie Rentner über das Erreichen der Altersgrenze hinaus beschäftigen. Die Bundesagentur für Arbeit muss deshalb mit Mindereinnahmen bis 87 Millionen Euro jährlich rechnen. Auch die Rentenkasse wird ab 2020 mit rund 30 Millionen Euro zusätzlich belastet.

Für den Rentenexperten der Linksfraktion im Bundestag, Matthias W. Birkwald, ist der Vorstoß deshalb auch »ein Offenbarungseid«, der zeige, dass eine sozialdemokratische Ministerin wie Andrea Nahles »Arbeitgeberbeiträge für die Arbeitslosenversicherung jenseits der Regelaltersgrenze abschaffen will«, um Arbeit billiger zu machen. »Die Leidtragenden werden die potenziellen Beitragszahlende der Zukunft sein: die jüngeren Beschäftigten«, warnt Birkwald.

Auf die Details der Reform hatte sich die Koalition bereits im November 2015 verständigt. Da man viel Zeit vertrödelte, greift Schwarz-Rot nun zu einem Trick: Zwar soll der Entwurf bereits im Sommer das Kabinett passieren, wird dann aber formal als Initiative der Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht. Das beschleunigt die Abläufe. Denn das Gesetz soll noch vor der Bundestagswahl 2017 beschlossen werden.

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