Runder Tisch für die Rigaer

Lange geforderte Gespräche zum Friedrichshainer Nordkiez finden endlich statt

  • Johanna Treblin und 
Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Vertreter von Polizei und Politik wollen nun doch mit Anwohnern sprechen. Bewohner des Hausprojekts werden jedoch ebenso wenig erwartet wie der Innensenator.

Freke Over soll es richten. An diesem Donnerstag tritt erstmals der seit Monaten geforderte Runde Tisch zur Situation im Friedrichshainer Nordkiez um die Rigaer Straße zusammen, wie das »nd« von den Organisatoren erfuhr. Der ehemalige Hausbesetzer Freke Over setzt sich schon seit Langem für Gespräche ein. Nach »nd«-Informationen wird der ehemalige LINKEN-Abgeordnete, der mittlerweile in Brandenburg lebt, das erste Treffen zusammen mit der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) leiten.

Ihr Kommen angekündigt haben Anwohnervertreter, unter anderem von der Kiezversammlung im Nordkiez, sowie Vertreter von Linkspartei, Grünen und SPD aus dem Abgeordnetenhaus und des Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksamtes. Auch Polizeipräsident Klaus Kandt wird einen Vertreter entsenden. Nicht teilnehmen werden laut Over Innensenator Frank Henkel (CDU) und Bewohner des Hausprojektes in der Rigaer Straße 94.

Bei dieser ersten nichtöffentlichen Veranstaltung, die am Donnerstag von 17 bis 20 Uhr stattfinden soll, werden den Angaben zufolge Personalvorschläge für eine Moderation gesammelt. »Wenn der Senat nicht einsieht, mit der Bevölkerung sprechen zu müssen, dann muss er sich eine andere Bevölkerung wählen«, sagte Freke Over dem »nd«. »Spätestens am 9. August brennt schließlich wieder die Luft.«

Für diesen Tag ist die Räumung des Kreuzberger »Gemischtwarenladens für Revolutionsbedarf« in der Manteuffelstraße 99 (M99) angekündigt. Die Gentrifizierung der Gegend mit Entmietungen und gehobenen Bauprojekten setzen die örtliche Bevölkerung zunehmend unter Druck und bieten hohes Konfliktpotenzial. Im kommenden Jahr läuft auch der 25-jährige Mietvertrag des Hausprojektes in der Libauer Straße 34 im Friedrichshainer Nordkiez aus. »Es kann nicht die Lösung sein, dass die öffentliche Hand Privateigentümern nun völlig überteuerte Häuser abkauft«, sagt Over. Der Runde Tisch müsse ausloten, ob bei den rechtlichen Möglichkeiten von Senat und Bezirk das Ende der Fahnenstange wirklich erreicht sei. »Man darf sich halt nicht nur als Dienstleister der Bauherren begreifen«, sagt Over. Er forderte außerdem »ein öffentlich einsehbares Kataster der realen Hauseigentümer«. In der Öffentlichkeit wird momentan viel darüber spekuliert, wer der Eigentümer des Hausprojekts »Rigaer 94« eigentlich ist, genau weiß es niemand.

Für den 9. Juli hatten Unterstützer der »Rigaer 94«, das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« und andere Initiativen zu einer großen gemeinsamen Solidaritätsdemo für die das Hausprojekt und den Gemischtwarenladen M99 aufgerufen, an der mehrere tausend Menschen teilgenommen hatten.

Vor einem Monat, am 22. Juni, hatten Bauarbeiter begonnen, Erdgeschoss und später auch den Dachboden der »Rigaer 94« zu räumen. Im Erdgeschoss befand sich eine linke Szenekneipe und die Werkstatt des Hauses. 1992 hatten die ehemaligen Hausbesetzer Mietverträge unterzeichnet, nicht jedoch für Erdgeschoss und Dachboden. Deshalb war die Räumung möglich - rechtlich jedoch umstritten, da kein Räumungstitel vorlag. Eine Gerichtsverhandlung am 13. Juli vor dem Landgericht, bei der gegen die Räumung geklagt wurde, endete mit einem Versäumnisurteil, weil der Anwalt des Eigentümers nicht erschienen war. Richterin Nicola Herbst erklärte darüber hinaus, dass sie die Räumung für illegal halte. Gegen das Urteil geht der Eigentümer mit einem neuen Anwalt vor, nachdem der bisherige Rechtsvertreter sein Mandat niedergelegt hatte, weil er sich bedroht fühlte. Mehrere Abgeordnete erhielten am Mittwoch Einsicht in die Polizeiakten, bis Redaktionsschluss lagen jedoch keine Erkenntnisse vor.

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