Nichts für labile Mägen

Freitags Wochentipp: der Thementag »Rechtsextremismus« auf ZDF Info

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Stimmt ja, da war doch was, ein Loch im kollektiven Gedächtnis, das vom Fernsehen bisher nicht gestopft wurde. Und damit ist weder die Sprachlosigkeit von BR-Korrespondent Jandl nach dem Axt-Angriff im Regionalzug gemeint noch die seiner »Tagesschau«-Kollegen, als der Amoklauf von München noch lief, sondern ein älteres Ereignis: 1988, Gladbeck, das Geiseldrama aus Zeiten, als solch eine Horrormeldung noch nicht nach zwei, drei Tagen von der nächsten verdrängt wurde.

Damals hatten sich deutsche Medien erstmals seit dem Krieg zum integralen Bestandteil eines Schwerverbrechens gemacht, das bislang unverfilmt blieb. Doch jetzt, wo Ereignisse - wie zuletzt der NSU-Prozess - schon mal vor deren Vollendung fiktionalisiert werden können, hat die Firma Ziegler-Film aus dem Bankraub von einst einen Zweiteiler gemacht. Mit Zsá Zsá Inci Bürkle als Opfer, die angemessen schön ist als Gute, und Sascha A. Gersak als Täter, der adäquat schmierig ist als Böser.

Schlecht informierten Fotoanalytikern einschlägig verachteter Boulevardmedien (und gut gelaunten Satirikern) zufolge laufen übrigens parallel dazu bereits Dreharbeiten zu »Merkel - Die Schicksalswahl« (Sat.1) und »Gysi - Der Verräter« (ZDF), beides mit Heino Ferch und Veronica Ferres in den Hauptrollen. Beides aber insofern noch nicht spruchreif, weil beide eigentlich ständig irgendwas mit Hitler und dessen Folgen drehen. Daher geben wir Entwarnung: Am Mittwoch, wenn ZDF Info seinem sendernamensgebenden Auftrag abermals durch irgendwas mit Hitler und dessen Folgen übermäßig gerecht wird, fehlen Ferres, Ferch und Fiktion völlig.

Stattdessen probiert der Spartenkanal etwas ziemlich Neues mit überwiegend altem Material. Der Thementag des Senders leitet das Tagesthema Rechtsextremismus zunächst mit denen ein, die diesen vor mehr als 80 Jahren quasi erfunden haben: Original-Nazis. Am Abend dann, wenn Neonazis samt Claqueuren unter die Lupe genommen werden, ordnet er deren Nachfolger in den Kontext aus Geschichte und Gegenwart ein. Eine ebenso kluge wie pragmatische Dramaturgie.

Ab 12.45 Uhr nämlich kann ZDF Info ein paar Bestandsdokumentationen mit Titeln wie »Hitlers letzte Wunderwaffe« oder »Das unterirdische Reich« aus der Kiste kramen - und damit die Grundlage legen für das, was derzeit maßgeblicher ist am Programm: Der Dreiteiler »Die neuen Nazis« etwa (18 und 20.15 Uhr), das Wutbürger-Psychogramm »Zwischen Protest und Extremismus« nebst zweier NSU-Analysen ab 21 Uhr, gefolgt von Mo Asumangs Reportage »Die Arier«, in der sich die farbige Journalistin mitten ins Herz des weißen Rassenhasses begibt.

Keine Frage - wer einen labilen Magen hat, sollte besser nicht von Mittag bis Mitternacht ZDF Info sehen. Robustere Zuschauer mit genügend Freizeit indes kriegen dort einen Mittwoch lang die volle Breitseite rechter Gesinnung nebst Aufklärung über dieselbige präsentiert.

ZDF Info, 27. Juli, ab 12.45 Uhr

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