Colonia-Dignidad-Täter nach Abwägung zu Gauck-Empfang eingeladen
Teilnahme zweier Verantwortlicher der ehemaligen Sektensiedlung an Empfang des Bundespräsidenten in der deutschen Botschaft in Chile war kein Versehen
Berlin. Die Einladung von zwei Mitverantwortlichen der früheren Sektensiedlung »Colonia Dignidad« in Chile zu einem Empfang für Bundespräsident Joachim Gauck sorgt weiter für Irritationen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts wurden die beiden Männer von der deutschen Botschaft in Santiago de Chile mit Absicht eingeladen und nicht etwa durch ein protokollarisches Versehen.
Die Entscheidung dafür sei nach einem »Abwägungsprozess« erfolgt, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Der Abgeordnete Jan Korte warf der Bundesregierung daraufhin vor, »schwerste Straftaten« zu verharmlosen. »Die «Abwägungen» des AA sind ein Schlag ins Gesicht der Opfer.«
Korte forderte ein Ende der Zusammenarbeit der Botschaft mit der Führungsriege der Nachfolgeorganisation der Colonia Dignidad, der Villa Baviera, und insbesondere mit verurteilten Straftätern. Die Botschaft in Santiago de Chile pflegt weiterhin regelmäßigen Kontakt zu den Leitern der Nachfolgeorganisation der Colonia, aber auch zu Opfervertretern und chilenischen Opferverbänden, wie das Auswärtige Amt mitteilte.
Unter den Teilnehmern des Empfangs in der Botschaft Mitte Juli waren auch der ehemalige Chef der juristischen Abteilung der Sektensiedlung, Hans Schreiber, sowie der ehemalige Sicherheitsmann Reinhard Zeitner, wie »nd« berichtete. Zeitner ist wegen Kindesentführung und -missbrauchs zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Schreiber ist Leiter einer der Betriebe der Villa Baviera gewesen.
In der Colonia Dignidad wurden während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) jahrelang politische Häftlinge gefoltert und als Zwangsarbeiter festgehalten. Kinder wurden laut Zeugenaussagen kontinuierlich sexuell missbraucht. Die abgeriegelte Siedlung war in den 60er Jahren von dem Deutschen Paul Schäfer gegründet worden. Agentruen/nd
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