»Terroristische Praktiken«

Russischer Geheimdienst: Mehrere Anschläge auf der Krim vereitelt

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Hausdurchsuchungen, Straßensperren, lange Schlangen an den Grenzübergängen. Die Bewohner der Krim fühlen sich an die dramatischen Tage vor dem Russland-Beitritt im März 2014 erinnert. Nur dass Wladimir Putin statt Freischärlern jetzt reguläre Truppen schicken kann. Russland, so der Kremlchef Mittwochabend im Auslandssender »Russia Today«, werde »ernste Maßnahmen« für die Sicherheit der Krim und ihre Bewohner ergreifen. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Inlandgeheimdienst FSB am Wochenende mehrere Anschläge auf die Infrastruktur der Krim - darunter auf »strategische und lebenswichtige« Objekte - vereitelt habe. An der Vorbereitung und Planung seien Sonderkommandos des ukrainischen Verteidigungsministeriums und der Auslandsaufklärung beteiligt gewesen. Bei deren Festnahme kam es offenbar zu einem Schusswechsel. Moskau spricht von zwei toten Soldaten und mehreren Verletzten.

Unter diesen Umständen, so Putin, mache ein neues Treffen im Normandie-Format derzeit keinen Sinn. Gemeint waren Bemühungen Russlands, Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine um ein gemeinsames Konfliktmanagement. Die Staats- und Regierungschefs wollten sich Anfang September am Rande des G20-Gipfels in Peking treffen. Die jüngsten Entwicklungen, so Putin, machten jedoch klar, dass diejenigen, die im Februar 2014 in Kiew die Macht an sich rissen, nicht zu Kompromissen bereit seien und statt zu verhandeln zu »terroristischen Praktiken« übergegangen seien. Davor könnten auch Europa und die USA nicht die Augen verschließen. Putin nannte sie »unsere Partner« und erwartet von ihnen, Kiew zu zügeln.

Die Diversanten, glaubt Krim-Oberstaatsanwältin Natalja Poklonskaja, hätten mit ihren Attacken die Lage vor den Duma-Wahlen Mitte September destabilisieren und Panik unter der Bevölkerung verbreiten wollen. Auch sollten Touristen von Reisen auf die Krim abgehalten werden. Dort würden neben Russen weiterhin auch viele Ukrainer Urlaub machen.

Die meisten russischen Medien sehen das ähnlich. Einige vermuten zudem, Kiew wolle die eigene Bevölkerung von den wirklichen Problemen ablenken und sich international erneut als Opfer Moskaus inszenieren. Gemeint waren Äußerungen ukrainischer Politiker, die Umgruppierungen russischer Truppen auf der Krim und dort geplante Manöver als Indiz für Vorbereitungen einer russischen Invasion werten.

Geht’s noch, fragt ein Generalstäbler in Moskau. Die Halbinsel sei mit dem ukrainischen Festland durch eine schmale Landenge verbunden, die leicht abzuriegeln sei und nur mit ungeheuren menschlichen Opfern genommen werden könne. Nur Dilettanten kämen auf die Idee, dort durchbrechen zu wollen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Senat, Viktor Oserow, sprach von einer Provokation und hofft, Moskau werde kühlen Kopf bewahren.

Politikwissenschaftler befürchten ernsten Schaden für den Minsker Prozess. Staatschef Putin habe seine Rhetorik aus dem Jahre 2014 wieder aufgenommen. Er bezeichne die jetzige ukrainische Führung als nicht legitim und damit als nicht geschäftsfähig.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal