Trump nennt Journalisten »Abschaum«

Republikaner im Wahlkampf: Warum sich der umstrittene US-Milliardär immer heftiger mit den Medien anlegt

  • Lesedauer: 4 Min.

Washington. Journalisten wissen, dass sie nicht zur beliebtesten Berufsgruppe gehören. Aber es ist noch viel schlimmer. Sie sind die »niedrigste Form des Lebens«, die »niedrigste Form der Menschheit«. Müll. Schleim. Abschaum. Orginalton Donald Trump.

Schon im Vorwahlkampf hatte der Republikaner zunehmend stark gegen die Medien in den USA geschossen, einzelne Reporter bei Veranstaltungen direkt angegriffen, manche aus dem Saal verwiesen - nie zimperlich in seiner Wortwahl: Verlierer, Lügner, Betrüger. Eine Reihe von Medien setzte er gar auf eine schwarze Liste, sie sind von seinen Wahlkampfauftritten verbannt, so die »Washington Post«, »Politico« und der »National Review«.

Nun ist Medienschelte in Wahlkämpfen gang und gäbe, besonders bei den Konservativen, aber nicht nur. Die Republikaner beklagen sich stets, dass die nationalen Medien die andere Seite bevorzugten. Auch Hillary Clinton beschwert sich im laufenden Wahlkampf routinemäßig über unfaire Behandlung.

Aber Trumps Attacken gehen weit über das normale Ausmaß in Präsidentschaftsrennen hinaus. Sie sind längst nicht mehr einzelne Retourkutschen eines Mannes, der bekanntlich gerne austeilt, aber selber wenig einstecken kann. Die Tiraden haben sich zu einer wütenden Kampagne ausgewachsen - oder einem zweiten Wahlkampf gegen einen zweiten Feind, wie es Trump selber jetzt formulierte.

»Ich trete nicht gegen Betrüger-Hillary an, sondern gegen die Betrüger-Medien«, sagte der Milliardär am Samstag bei einem Auftritt in Connecticut. Tatsächlich widmete er sich in seiner Rede den »unehrlichen« Medien fast genauso stark wie seiner Rivalin, insbesondere der »New York Times« (»wirklicher Müll«) und CNN (»schleimig«).

Aktueller Anlass für den Zorn auf die Zeitung war ein Bericht am Samstag über die fruchtlosen Bemühungen im Trump-Lager, den Kandidaten im Zaum zu halten. Dem Sender kreidete er unfaire Berichterstattung über eine jüngste Äußerung an, der zufolge Präsident Barack Obama und Hillary Clinton »Gründer« der Terrormiliz IS sind (was, wie Trump im nachhinein sagte, sarkastisch gemeint war).

Aber es steckt mehr dahinter. Trumps Rundumschläge haben sich vor allem in den vergangenen Wochen verstärkt - seit Umfragen ihn in möglicherweise wahlentscheidenden »Swing States« deutlich hinter Clinton zeigen. Das legt die Vermutung nahe, dass Trump sich für den Fall einer Niederlage einen Schuldigen aufbauen will.

Und vielleicht glaubt er ja auch wirklich, dass das so ist. »Wenn verabscheuungswürdige und korrupte Medien ehrlich über mich berichten und nicht jedes Wort, das ich sage, falsch auslegen würden, würde ich Hillary mit 20 Prozent schlagen«, twitterte Trump am Sonntag. Und dann: »Meine Kundgebungen werden nicht angemessen von den Medien gecovert. Sie diskutieren niemals die wirkliche Botschaft und zeigen nie, wie groß das Publikum oder die Begeisterung sind.«

Tatsächlich berichten die Medien weitaus mehr über Trump als über Clinton, die aber beileibe auch kein Darling der Journaille ist. Trump liefert mehr Stoff, schon allein durch seine Flut oft gehässiger Tweets, ist selber »mehr Medien als Politik«, wie es der frühere »Time«-Chefredakteur John Huey am Sonntag formulierte.

Aber etwas hat sich in der Berichterstattung über Trump geändert, deutlich spürbar mit dem Voranschreiten der Vorwahlen. Man reißt sich zwar weiter um Interviews mit ihm, wie in den Anfängen, als der Außenseiter oft auf allen Kanälen war - und ihm genau das Forum geboten wurde, das er sich wünschte und das zu seinem Aufbau beitrug. Aber Trump wird jetzt bei weitem stärker geprüft, getestet, herausgefordert - und im Zweifel fällt das Urteil gegen den Angeklagten.

Anfangs hätten sich viele Journalisten davon leiten lassen, »wow, wenn das hier kein verrückter Wahlkampf ist«, hieß es unlängst in einem Meinungsartikel der »Washington Post«. Mittlerweile hätten die Medien aber einen Wendepunkt erreicht, »und Donald Trump wird das vielleicht nicht überleben«. Mit anderen Worten: Viele Medien hielten Trumps Kandidatur anfangs für einen Witz, Entertainment. Jetzt haben sie erkannt, wie ernst die Sache ist. Und überziehen vielleicht nun auch etwas, aus einer Art journalistischem Schuldgefühl?

TV-Sender, die anfangs mit Blick auf die Einschaltquoten eifrig auf den Trump-Zug aufgesprungen seien, bedauerten es jetzt, ihm so viel Sendezeit gegeben zu haben, meint der republikanische Stratege Alex Patton. »Was wir erleben, ist in einigen Fällen eine Überreaktion der Medien. Ich glaube, sie haben erkannt, dass sie Donald Trump geschaffen haben.«

»New York Times«-Kolumnist Jim Rutenberg glaubt, dass eine objektive Berichterstattung über Trump für Journalisten eine Herausforderung ist, weil viele ihn als schädlich für das Land betrachteten. »Herrn Trump als einen unnormalen und potenziell gefährlichen Kandidaten zu covern, ist mehr als nur ein Schock für das journalistische System«, schrieb Rutenberg. »Es droht seine Gegnerin Hillary Clinton zu bevorteilen, die Pressekonferenzen scheut und selber viel mehr kompromisslose Berichterstattung auf sich ziehen sollte.« dpa/nd

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