Meta vor Gericht: Wer bremst den Hass?

Vor dem Kammergericht in Berlin startete das Berufungsverfahren der Deutschen Umwelthilfe

So klingt der Hass: Bereits vor dem Landgericht begleitete die Deutsche Umwelthilfe den Prozess öffentlichkeitswirksam.
So klingt der Hass: Bereits vor dem Landgericht begleitete die Deutsche Umwelthilfe den Prozess öffentlichkeitswirksam.

»Wenn ich seine Privatadresse herausfinde, dann Gnade Gott.« »Hat Ihnen schon mal ein Bürger in die Fresse gehauen?« »9mm heißt die Lösung.« Solche Drohungen begleiten Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), seit Jahren.

Ein Großteil der Hetze stammt aus zwei Facebook-Gruppen mit zusammen mehr als 60 000 Mitgliedern. »Es ist unzumutbar, dass wir Betroffenen von Hassbotschaften und Mordaufrufen nur Strafanzeigen stellen oder Facebook um Löschung bitten können«, sagt Resch zu »nd«. »Die meisten Strafanzeigen dauern zwei bis drei Jahre und werden in den meisten Fällen eingestellt

Resch will, dass Meta, der Mutterkonzern von Facebook, die Gruppen komplett löscht – ein Schritt, der juristisches Neuland wäre. Denn bislang müssen Betroffene selbst aktiv werden: Erst wenn einzelne Posts gemeldet sind, muss eine Plattform reagieren. Für Resch ist das nicht nur psychisch belastend. »Schon die bisher stichprobenhaft erfassten Gewalt- und Mordaufrufe für Strafanzeigen haben Kosten im fünfstelligen Bereich verursacht, die mir weder Meta noch die Hater ersetzen«, so Resch.

»Schon die bisherigen Strafanzeigen haben Kosten im fünfstelligen Bereich verursacht.«

Jürgen Resch DUH-Geschäftsführer

Eine Musterklage der DUH scheiterte 2023 vor dem Landgericht Berlin. Nun läuft das Berufungsverfahren vor dem Kammergericht. Nach dem ersten Verhandlungstag ließ der Vorsitzende Richter Oliver Elzer durchblicken: Große Chancen sieht er für die DUH nicht.

Denn nicht die Facebook-Gruppe selbst verstoße gegen Richtlinien oder Gesetze, sondern einzelne Beiträge. Außerdem machten strafrechtlich relevante Posts nur einen kleinen Teil der Gruppenaktivität aus.

Reschs Anwältin Juliane Schütt widerspricht. Es gehe nicht um einzelne Posts, sondern um eine »permanente Dauersituation«. Die Bedrohungslage bleibe seit Jahren unverändert hoch – Meta könne sich nicht länger darauf berufen, erst nach einer Meldung zu handeln. Sie verweist auf andere Fälle, in denen Meta längst proaktiv löscht, etwa bei Pornografie oder Markenrechtsverletzungen.

Richter Elzer brachte einen außergerichtlichen Vergleich ins Spiel: Resch könne eine Liste mit problematischen Posts vorlegen, Meta würde diese gesammelt entfernen und Wiederholungstäter sperren. Doch der DUH-Geschäftsführer lehnte ab. Auch hier läge die Verantwortung weiter bei ihm. Seine Anwältin betonte, man wolle eine gerichtliche Entscheidung erzwingen. Sie stellte zwei weitere Anträge, die fordern, dass Meta selbst die Gruppen überwacht und rechtswidrige Inhalte löscht. Metas Anwälte beantragten, beides abzuweisen.

Trotz der geringen Erfolgsaussichten zeigte sich Anwältin Schütt nach dem Verfahren optimistisch: »Wir haben den Eindruck gewonnen, dass das Gericht unsere Argumente noch einmal abwägen und berücksichtigen wird, dass wir hier eine wirklich besondere Situation haben.« Resch kündigte an: »Sollte das Kammergericht meine Klage abweisen, werden wir diesen grundsätzlich wichtigen Rechtsstreit bis zum Bundesgerichtshof tragen.«

Richter Elzer stellte ein Urteil für den Winter in Aussicht. Sollte es eine weitere mündliche Verhandlung geben, könnte es bis ins Frühjahr dauern. Er wies darauf hin, dass das Verfahren auch einen politischen Hintergrund habe. Vor Gericht wurde klar: Die Forderungen der DUH lassen sich nach geltendem Recht kaum umsetzen. Für Resch kein Grund aufzugeben: »Eigentlich ließe sich die Situation ganz einfach ändern: Wenn Deutschland ein nationales Gesetz zum Schutz von Hass- und Gewaltopfern im Internet beschließt, so wie dies die EU ausdrücklich vorsieht.«

Einen ähnlichen Weg geht die Grünen-Politikerin Renate Künast. Sie wehrt sich gegen ein gefälschtes Zitat, das seit Jahren in sozialen Netzwerken kursiert. Sie will erreichen, dass Facebook nicht nur das ursprüngliche Meme, sondern auch alle sinngleichen Varianten löscht – ohne dass sie jeden einzelnen Post melden muss. Der Fall liegt inzwischen beim Bundesgerichtshof, der auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wartet.

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